Wirtschaft und Verantwortung – digital neu dimensioniert

Die aktuellen Veränderungen der Innen- und Außenwelt von Organisationen sind hinreichend formuliert: Ihr wichtigstes Momentum liegt in der – meist als „disrupt“ – etikettierten Unerwartbarkeit und zugleich Unausweichbarkeit vielfältigster Entwicklungen, die einerseits Planung und Steuerung nach traditionellen Methoden als untauglich erweisen, andererseits enorme Bedürftigkeiten nach Orientierung, Plausibilität und Halt mit sich ziehen.

„Postfaktische“ Zerrbilder

Politik und Gesellschaft halten dieser Realität gerade den Spiegel vor, mit dem verzerrten Antlitz scheinbar starker Autoritäten und heilsbringender Akteure sowie dem Trend zu vereinfachten Wahrheiten jenseits differenzierter Fakten und Ereignisse und populistisch deklarierten Deutungshoheiten im öffentlichen und privaten Diskurs.

Und die Wirtschaft?

Vor wenigen Jahren noch verschrien als das allgemeine Denken und Handeln dominierende, gar manipulierende ökonomistische Daseinskonzept, richtet sie ihren Blick vornehmlich nach innen, auf die qua Digitalisierung, Internationalisierung und demografischer Verschiebungen stattfindende Erosion der Prozesse und Beziehungen zwischen und innerhalb der Unternehmen und Organisationen. An Stelle des umstrittenen Primats der Ökonomie scheint gerade ein Rückzug auf das angestammte Terrain stattzufinden, zumindest in der reflexiven, Diskurs prägenden Dimension. Dieser Rückzug ist jedoch nicht statthaft, ja geradezu fahrlässig, wenn Machtkonstellationen in der Weltgesellschaft – je nach Gusto – mal unter rein diplomatischen, mal unter rein betriebswirtschaftlichen, seltener unter ethisch-moralischen Gesichtspunkten bewertet werden.

Wirtschaft vor, in oder für die Gesellschaft?

Als mögliche Perspektive für unsere aktuelle Gegenwart und Zukunft formulierte der Wirtschaftsethiker Peter Ulrich um die Jahrtausendwende das Programm einer „Wirtschaft in der Gesellschaft“, einer Wirtschaft also, die sich ihrer Verantwortung für das Allgemeinwohl in der Weise und in der Dimension bewusst zeigt, in der sie national und international agiert. Dies entbindet nicht von der Innovation neuer Themen und Strukturen im Kontext der digitalen Transformation. Doch es erfordert zugleich einen verantwortungsvollen Blick über den Tellerrand der eigenen ökonomischen Existenz. Die Reichweite und Qualität der Veränderungen drohen ebenfalls zu einer Erosion von Verantwortlichkeit in der Weltgesellschaft zu führen. Sinn, Orientierung und Plausibilität entstehen nicht von selbst, sondern im durchaus kontroversen, aber in jedem Fall transparenten und offenen Nachvollzug vernünftigen Handelns. Unternehmen sind hier nicht alleine gefordert, aktiv dabei sein sollten sie aber in jedem Fall.

Anja Ebert-Steinhübel
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