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Die „Digitalisierung“ wirkt auf die drei wesentlichen Treiber des unternehmerischen Erfolgs:

  • Kunden
  • Prozesse
  • Ressourcen

und verändert mit ihrer einzigartigen Möglichkeit der Kombination und Vernetzung die ökonomischen Modelle nachhaltiger Unternehmensführung.

  • Kunden wollen eingebunden, ihre Ideen sollen berücksichtigt und ihre Entscheidungen integriert werden, d.h. sie werden empowered.
  • Prozesse werden horizontal und vertikal integriert sowie ein durchgängiges Engineerings über die gesamte Wertschöpfungskette realisiert, d.h. sie sind intelligent.
  • Ressourcen werden geteilt, auf Plattformen gehandelt und allokieren sich zu attraktiven Unternehmensnetzwerken, d.h. der Zugang ist wichtiger als das Eigentum.

Die ökonomischen Modelle zeichnen sich durch eine Kosten-/Preis- Entkopplung, das Erreichen von „Null“-Grenzkosten sowie neue – meist auf Nutzung basierende – Erlösmodelle aus, d.h. eine simultane Multiplikation über unterschiedliche Kanäle und Plattformen der Erlöse und Ergebnisse wird möglich.

Die grundlegenden Aufgabenstellungen des Managements – Gestaltung, Lenkung und Entwicklung – ändern sich durch die Digitalisierung nicht. Ein entsprechendes Leadership beruht auf jedoch auf einer intensiven Integration von prosumentenorientiertem Marketing und wertschöpfungsorientierter Logistik sowie einem agilen Controlling und einem befähigenden Developing. Damit gelingt mittels einer offenen Innovationsphilosophie ein nachhaltiges Wachstum mit shared values zur Realisierung einer resilienten Unternehmung.

Welche Anforderungen stellt also ein digitales Management an das Controlling?

Controlling

…muss unterschiedliche Wertschöpfungsstrukturen unterstützen;
…muss die Agilität des Unternehmens in Form der Einbindung differenzierter Netzwerk-Strukturen und multifunktionaler Prosumenten-Konstellationen gewährleisten;
…muss ein flexibles Steuern durch das Management – auch bei moving targets – ermöglichen;
…muss gleichzeitig „social“, „mobile“ und „local“ integrieren.

Dazu sollte das Controlling selbst auf den Prüfstand. Es geht also um die klassischen Controllingfragen:

  • Wer?
  • Was?
  • Wie?
  • Womit?

Die Organisation des Controllings (Wer?)

…zeigt eine starke Verschiebung zum Selfcontrolling – wie von Anfang gedacht – zum Management und die Veränderungen der Position des Controllers zum Sparringspartner. Die Abteilung Controlling erfährt eine Dreiteilung in der Ausprägung der Controller-Rolle: Der Spezialist als „Guru“ im externen und internen Rechnungswesen; der Data Scientist als Analytiker aller exorbitant vorliegender – gut und schlecht strukturierter – Daten; der Business Partner als Kommunikator der Erkenntnisse und Handlungsoptionen zur Unternehmensführung.

Der Wert des Controllings (Was?)

…zeigt sich in einer gleichzeitig kurzfristigen und strategischen Orientierung. Erstere fokussiert auf beeinflussbare, meist finanzielle Größen und beruht auf rollierenden Prozessen. Letztere steuert die Treiber und Strukturen und bezieht die nicht-finanziellen und damit umfassenden Key Performance Indicators des Unternehmens in die Entscheidungsfindung ein. Dazu müssen die Controller markt- und „führungsnah“ sein, wissensgetriebene und flexible Informationen bereitstellen sowie als Abteilung mit dem Grundverständnis eines Dienstleisters ausgestattet sein.

Die Realisierung des Controllings (Wie?)

…basiert einerseits auf einer extremen Prozessorientierung und anderseits auf der Steuerung von Geschäftsmodellen. Die Prozesse sind führungsorientiert, schnell, erfassen und bewerten die Daten in Echtzeit und stellen die Informationen ebenso zur Verfügung. Zur Analyse und Gestaltung von Geschäftsmodellen sind Kenntnisse über Veränderungs- und Umsetzungstreiber genauso erforderlich wie das permanente Streben nach skalierbaren Plattformen.

Die Systeme des Controllings (Womit?)

…beruhen zum einen auf einer starken IT-Unterstützung und zum anderen auf zukunftsorientierten und schnell anwendbaren und anwenderfreundlichen Instrumenten.

Die IT stellt die Daten bereit (Big Data), wertet diese aus (BI) und ermöglicht unterschiedlichste Szenarien auf Basis entsprechender Algorithmen. Die Instrumente sind risikoorientiert, predictive und prescriptive sowie auf Treiber (Business Model Canvas) und das Management (Flash Reports) ausgerichtet.

Welche Lösung für das Controlling ist demnach erforderlich?

Digitales Controlling

… arbeitet mit flexiblen Zielen;
… vernetzt das Risikomanagement;
… plant über Treiber und Wertbäume;
… setzt auf Struktur- und Strategiebudget;
… ermöglicht ein umfassendes Selbst-Controlling;
… berichtet mittels eines Integrated Reporting.

 

 

Ist das überhaupt noch „Change“, was wir gerade an tiefgreifenden und weit reichenden Veränderungen in allen Lebens- und Arbeitsbereichen erleben? Vor allem aber: helfen die uns bekannten Konzepte und Methoden für die weitgehend unbekannten Dimensionen des „New Normal“ unserer Zeit? Die Antwort darauf ist zweimal „ja“ – allerdings unter der Prämisse, die Ideen lebendig zu erhalten und situativ so anzupassen, dass die Veränderungsenergie auch wirklich fließen kann.

Raus aus dem Eisfach!

Gemäß dem Klassiker der Organisationsforschung Kurt Lewin mündet jeder Veränderungsprozess nach der Auftau- und Bewegungs- in die Verstetigungsphase („Refreeze“). Damit ist nach dem Wirbel des eigentlichen Changes wieder Systemstabilität als „natürlicher“ Ruhepol und Wunschzustand erreicht. Für diese Idee haben Lewin und in der Folge zahlreiche weitere Autoren und Konzepte reichlich Kritik eingefahren. In der modernen Ära des „Dauer-Changes“ ist ein solcher Gedanke per se obsolet. Dabei fallen Kritiker wie Apologeten in die Falle ihres eigenen Vorurteils: Wenn Veränderung die Regel ist, sind Ausgleich, Innehalten und Gegenbewegung nicht die Ausnahme, sondern die Wegmarker einer Entwicklung, die durch unterschiedliche Dynamiken kritische Reflexion und Lernen eben erst ermöglichen kann. Trotzdem: die gerne unter dem Begriff der „Nachhaltigkeit“ oder „Zukunftsorientierung“ qualitativ dimensionierte Verstetigung von Veränderungsprozessen ist selbst eine lebendige Phase, die nicht schockgefrostet, sondern vielmehr ins Leben getragen, sichtbar gemacht und immer weiter entwickelt werden muss.

Das Engagement ausweiten

„Refreeze“ heute beinhaltet daher weniger die sichere Verortung eines eindeutigen Konstrukts, sondern vielmehr das Anerkennen und Transparentmachen der darin offenbarten Verschiedenheit. Je komplexer die Change-Prozesse sind, desto eher sind ihre Ergebnisse ein Akt der Konsensfindung, Formulierung von Gemeinsamkeiten und Beschreibung unterschiedlicher Wege auf die neuen, zukunftsorientierten Perspektiven hin. Das heißt übersetzt: Nicht alles, was neu ist, muss auch beibehalten werden. Nicht alles, was theoretisch machbar ist, macht für alle auch Sinn. Die im „Move“ angesprochene Befähigung und Partizipation erweist sich in dieser Phase als funktionales demokratisches Prinzip. Die Prozessverantwortung kann und muss auf mündige Mitarbeiter, Teammitglieder, Bürger etc. übertragen werden. Die geforderte Nachhaltigkeit vieler Organisationskonzepte rutscht damit vom Papier direkt in die Praxis, i.e. an den Arbeitsplatz, in den Alltag, in die konkrete Anwendung. Die Aufgabe der Führung ist damit nicht vorbei, sie ändert sich jedoch maßgeblich. Denn die aus dem Transfer wiederum generierten Ideen und Initiativen müssen in die Prozesse re-integriert und vor allem auf die Strategie – als Ausgangs- und Reflexionspunkt des Changes – zurück bezogen werden, um den gemeinsamen Weg des Lernens auf der nächsten Erkenntnisstufe ein Stückchen weiter zu gehen. Die never-ending Story „Change“ wird damit nicht zur Dauerschleife, führt aber zu losen Enden und neuen Öffnungen im System, die wichtig für den Fortschritt und das Lernen sind, aber auch immer wieder im Sinnes des (persönlichen und organisationalen) Gleichgewichts ausbalanciert, d.h. wertgeschätzt und eingeordnet werden müssen.

Aufmerksamkeit fokussieren – und atmen lassen

Stabilisierung, Orientierung und Integration im modernen Kontext einer sich immer schneller verändernden und mit Sprüngen, Brüchen und Ambivalenzen behafteten Realität bedeuten daher kein Ende der Entwicklung, wohl aber eines falsch verstandenen Change-Managements. Das Grundlegende wird bleiben: die Tendenz nämlich, auf ein Mehr an Geschwindigkeit und Unübersichtlichkeit mit einem höheren Bedürfnis nach Ruhe, Orientierung und Klarheit zu antworten. Das komplementäre Urprinzip stattet uns nicht nur psycho-, sondern auch handlungslogisch mit dem richtigen Maß und Mittel aus, Realität nicht nur aushalten, sondern auch adäquat gestalten zu können.

Die neue Form der (Change-)Resilienz

Neu zu definieren und zu erlernen sind unter dem Druck der Veränderungsintensität jedoch die Führungsrollen und die Kompetenzen aller Beteiligten im Umgang mit der im digitalen Zeitalter überall gleichzeitig virtuell und real neben- und miteinander stattfindenden Kommunikation. Als Katalysator und wesentliches Charakteristikum öffentlicher wie privater Interaktionen und Transaktionen bringt die Digitalisierung über das rein Technische hinaus eine neue Qualität der Information und der – zumindest potentiell – grenz- und systemübergreifenden Partizipation. Mit dem Verlust hierarchisch gebundener Wissensmonopole geht auch der damit verbundene Steuerungsanspruch ein Stück weit zurück. Auch damit müssen sich Führungskräfte auseinandersetzen, wenn sie in Veränderungsprozessen erfolgreich agieren wollen: Nicht das Wissen, sondern das Nichtwissen; nicht die Eindeutigkeit, sondern die Ambivalenz; nicht die Sicherheit, sondern das Mögliche sind als Prämissen gesetzt für einen Führungsprozess, in dem Aushandlung und Integration (auf der Basis von Befähigung und Motivation) in Zukunft eine wesentlich größere Rolle spielen werden als jemals zuvor. In diesem Kontext Perspektiven zu erkennen, Commitment herzustellen und Komplexität soweit zu reduzieren, dass nicht Blindheit, sondern gemeinsamer Sinn und Handlungsfähigkeit entstehen, ist die große Herausforderung für das Leadership im Change. Change initiieren, aushalten und vermitteln zu können, die neue Form einer (Change-)Resilienz. Manager haben hier schon verloren. Reflektierte und empathische Persönlichkeiten mit Change-Appeal sind gefragt!

Communicate the Move

Lernen ist zumindest psychologisch gesehen immer einer Bereicherung: Denn es bedeutet per definitionem die Aufnahme und Verarbeitung eigener oder fremder Erfahrungen, um daraus neue Verhaltensoptionen zu generieren. Lernen macht uns also ganz praktisch „schlauer“ im Umgang mit der Welt, – und dennoch sind Lernen und Veränderung für die meisten weniger mit Freude und eher mit Aufwand oder gar Ablehnung verbunden. Damit Lernen erfolgreich gelingt – die Inhalte also auch längerfristig zur Verfügung stehen als bis zum nächsten Prüfungstermin – sind jedoch Emotion und Motivation die conditio sine qua non. So altbekannt dieser Mechanismus ist, so selten wird er konsequenterweise didaktisch und führungstechnisch genutzt. Von der schulischen über die betriebliche bis zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung jedoch gilt, dass Veränderungen von Wissen, Einstellungen und Verhalten stets psychologisch fundiert und verankert sein müssen. Rein rationale Bezüge, autoritärer Wandel, verordnete Changeprozesse funktionieren, zumindest auf Dauer gesehen, nicht.

Change-Formel

Nach dem Lewin´schen Modell typischer Entwicklungsverläufe sozialer Gruppen und Systeme ist das Lernen die eigentliche Phase der Veränderung. Hier findet geistige und emotionale Auseinandersetzung, Bewegung („Move“) statt hin zu dem Neuen, Unbekannten, das es für den Einzelnen oder die Gruppe zu begreifen, zu akzeptieren, zu verstehen gilt. Diese Aktivität findet erst dann statt, wenn es zuvor gelungen ist, die Bereitschaft für diesen Prozess weitgehend zu wecken, die bisherigen Muster des Denkens und Verhaltens soweit „aufzutauen“, dass Raum für neue Inspiration gegeben ist. Auf den Punkt gebracht, setzt erfolgreicher Change immer ein Produkt aus vorhandenem oder erzeugtem Wollen (Bereitschaft) und vorhandenem oder vermitteltem Können (Fähigkeit) voraus, basierend auf einer möglichst unterstützenden Kultur, die Veränderung erlaubt, trägt und will (Ressourcen).

Change-Formel_Blog Ungedachtes denkbar machen_Juli 2016
Ohne Bereitschaft findet keine Veränderung statt. Ohne Ressourcen erfolgt die Veränderung nur unzureichend. Diese können materieller oder immaterieller Natur sein, beispielsweise begleitende didaktische Materialien, aber auch Zeit und Zuwendung durch Lehrer, Mentoren oder Führungskräfte. Alles zusammen generiert die individuelle oder soziale Change-Kompetenz, die sich in einer spezifischen kulturellen Qualität der Offenheit und Beförderung von Innovation, Diversität und Individualität spiegelt und multipliziert.

Freiraum für den Change-Prozess

Move = Bewegung bedeutet das Lebenselixier von Veränderung. So banal dies erscheint, so sehr wird dies selbst in scheinbar professionell gemanagten Prozessen übersehen. Viel zu oft werden der mögliche Schwung und die ansteckende Kraft einer aufkeimenden Bewegung unter der Ägide enger Zielführung und falscher Koordination im Keim erstickt, um recht(?)zeitig in das Korsett der „richtigen“ Richtung gezwängt zu werden. Move impliziert Freiraum und Freiheit und bedarf führungslogisch des Geschickes, neue Muster des Verhaltens zuzulassen, zu erproben und einzuüben, um daraus schließlich ein neues kollektives Modell zu generieren. Eine der schönsten, wenn auch nicht ganz eindeutigen Definitionen des Führungsbegriffs bringt dies zum Ausdruck: Führung heißt die „Zufuhr wohldosierter Bewegung“. Das erfordert ein Höchstmaß an Psycho-Logik, Fingerspitzengefühl und Vertrauen in die Selbstentwicklungsfähigkeit des jeweiligen Systems.

Kommunikation ist (wieder mal) alles!?

Mangelnde Führung und unzureichende Kommunikation gelten als die wesentlichen Gründe des Scheiterns im Veränderungsprozess. Für den Umkehrschluss allerdings gilt: (Nur) Viel hilft nicht zwingend auch viel. Vielmehr geht es um die Balance, um die eben beschriebene Wohldosiertheit des Prozesses. Change-Kompetenz einer Organisation oder Führungskraft beinhaltet deshalb die Fähigkeit, den Blick auf das Ganze und den Blick auf den Einzelnen richten zu können und zwischen diesen beiden Perspektiven immer wieder zu wechseln, – je nach diagnostiziertem Entwicklungs- oder Konfliktstadium der Person, des Teams oder des gesamten Prozesses. Change-Situationen sind niemals Standardsituationen und können nicht durch standardisierte Verfahrens- und Verhaltensweisen begegnet werden. Changeprozesse führen den Einzelnen und soziale Gruppen durch ein Achterbahn-Erlebnis zwischen Schock, Abwehr, Einsicht, Akzeptanz, Ausprobieren, Erkenntnis und Integration. So beschrieb Edgar Schein die potentiellen Reaktionen im Zeitverlauf auf die individuell unterschiedlich bewertete und erlebte Autonomie oder Hilflosigkeit im Veränderungskontext. Change braucht sehr viel Führung und Kommunikation. Allerdings in einer höchst differenzierten Version, um zu informieren, zu legitimieren, zu motivieren, zu befähigen, zu moderieren, zu partizipieren, zu integrieren – je nach Befund.

Alles wird besser!?

Positive Entwicklung entsteht nach Lewin in der harten Auseinandersetzung zwischen dem Verlangen nach Stabilität und dass alles so bleiben soll, wie es ist, und dem entgegengesetzten Drang nach Neuem, nach Veränderung. Idealerweise führt dies zu einer insgesamt höheren Performanz des Systems. Führung im Change heißt also, diese individuelle und soziale Balance zwischen erlebter Unsicherheit, erforderlicher Offenheit und gebotener Effizienz zur Zielerreichung immer wieder neu herzustellen und zu unterstützen. Führung ist ein Kommunikationsprozess. Führung im Change ist die höchste Stufe davon und erfordert ein hohes Maß an persönlicher Leidenschaft, Lernwilligkeit und strategischer Exzellenz.

Unfreeze

Jede bewusste Veränderung beginnt mit einem – meist unbewussten – Schock: Beim Wechsel oder bei der Umkehr der Wegrichtung weg vom „Weiter so“ wird die Gewissheit des bisherigen Meinens, Wissens und Könnens obsolet. Statt dessen steht die Auseinandersetzung mit neuen Möglichkeiten, Informationen und Ideen auf der Agenda, deren Einpassung in die Koordinaten der eigenen Wirklichkeitssicht nicht zwingend reibungslos erfolgt, in jedem Falle aber einen Aufbruch aus der bisherigen Behaglichkeit des Bekannten und Vertrauten mit sich bringt. Dieser Aufwand ist nicht immer schmerzhaft, in jedem Fall aber spürbar. Denn grundsätzlich sind wir in unserem Bedürfnis nach physischer Sicherheit, emotionaler Stabilität und kognitiver Konsistenz einander gleich. Abweichung, Unsicherheit oder Ambivalenz werden psychologisch stets als Störung empfunden. Da aber jegliche Veränderung als Impuls eben dieses Störgefühls als Anreiz bedarf, muss ein professionelles Change Management und ein bewusster Umgang eines sozialen Systems jedweder Größe und Formation diese latente Change-Resistenz reflektieren und aktiv überwinden.

Unfreeze – Move – Refreeze

Der Sozialforscher Kurt Lewin bezeichnete diesen Vorgang bzw. Zustand eines psycho-sozialen Systems im Vorstadium aller Entwicklungs- und Lernprozesse als „Unfreeze“. Damit gemeint ist das notwendige Raum und Bedeutung geben durch ein Aufbrechen, Öffnen oder „Auftauen“ der bisherigen Wohlfühl-Stabilität. Diese wahrgenommene Irritation, die fehlende Balance im Gleichgewicht der alten, beharrenden und neuen, treibenden Kräfte zwingt zum Aufmerken und kann sowohl von außen oder innen, passiv oder aktiv herbeigeführt werden. Nach dem klassischen Modell der Veränderung sozialer Systeme folgt nach einem ausreichenden und gut verarbeiteten Unfreeze die eigentliche Veränderung (Move), in der die Entwicklungsziele umgesetzt, alte Muster und Verfahren abgelegt und neue eingeführt und erprobt werden. Schließlich werden die Innovationen im kollektiven Verhalten gesichert, d.h. als gesetzte Strukturen und Muster akzeptiert und konsolidiert (Refreeze), um die Nachhaltigkeit des Wandels zu gewährleisten.

Zeitdiagnose: Nichts bleibt!?

Die Schlagworte zur Bezeichnung unserer gegenwärtigen Realität sind so schillernd und plakativ wie nie zuvor: Statt Wandel erfahren wir „Transformation“, statt Evolution oder gar Revolution erleben wir „Disruption“, statt von schlichter Interdependenz sind unsere alltäglichen und beruflichen Systeme mit dem „VUKA-“Virus infiziert. Übersetzt bedeutet dies: die Veränderungen sind unumkehrbar, sie sind zerstörerisch und sie sind gleichzeitig wenig greifbar, weil flüchtig oder volatil, unsicher, komplex und ambivalent. Nach der Definition des Veränderungsmodells werden wir also gerade in nahezu allen existentiellen Bereichen „aufgetaut“. Doch wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch, – schon sind passende Rettungsringe und sichere Küsten in Sicht durch zeitgemäße Moden und Methoden des (psycho-)logischen Managements. Diese setzen entweder auf Spiegelung in einer Doppelung der erkannten Fragilität und begegnen Auflösung begegnen bzw. Transformation durch geplante Offenheit, Flexibilität und Agilität. Oder sie versprechen stabile Anker, deren Substanz wahlweise aus weichen Materialien wie Resonanz oder Resilienz bzw. aus den harten Tools der Projekt-, Prozess- oder Qualitätssicherungsbaukästen besteht. An Optionen besteht also scheinbar kein Mangel. Vermutlich jedoch hatte der Visionär Hölderlin bei der Formulierung seines Satzes Anderes, Intelligenteres im Sinn.

Gerade sind sie ausgesprochen, kaum sind sie verstanden, schallt also bereits der Ruf nach adäquater Beantwortung oder werden Geschütze gesucht, die – noch gar nicht zu Ende gedachten – Entwicklungen im Keim zu ersticken, umzubenennen oder für unsinnig zu erklären. Richtig ist diese Reaktion sicherlich in Bezug auf die pauschalen und extremen Formulierungen: Denn dass sich aktuell wirklich alles wirklich komplett und wirklich für jeden verändert, wie es die absolute Semantik der Begriffe suggeriert, stimmt wohl genauso wenig wie behauptet werden kann, es fänden kaum oder gar keine Veränderungen statt, die nicht auch die Einzelnen in Ihrem Alltag erreichten. Der gesellschaftliche Wandel findet, so erkennen die Forscher, heute in wesentlich schnelleren Zyklen und einer wesentlich größeren Reichweite statt als jemals zuvor. Die gesellschaftlichen Megatrends wie Digitalisierung, Individualisierung, Globalisierung etc. beschleunigen und intensivieren damit die Anforderungen auch der ganz persönlichen Lern- und Veränderungskompetenz enorm. Gelungenes Unfreeze meint damit auch ein Selbstverständlichwerden des nicht Selbstverständlichen, ein sich Einfühlen in einen neuen Normalzustand mit weitaus geringerer Basisstabilität.

Gegengifte: Unaufgeregtheit, Entschleunigung und Reflexion

Um vom Dauerthema des Wandels und immer neuen Zwängen und Motivationen zur Veränderung nicht erschlagen zu werden, sondern sich als Einzelner, als Organisation, als Gesellschaft aktiv darauf zu beziehen, bedarf es keiner Augenwischerei und schon gar nicht eines schnellen „Augen zu – und durch-Verhaltens“.. Ganz im Gegenteil gilt: erst wenn es uns gelingt, die Facetten und Dimensionen dahinter genau zu durchleuchten und zu begreifen, das Unfreeze also eher schonend und vor allem sehr bewusst zu erleben, können wir tatsächlich die jeweils relevanten Veränderungsfaktoren filtrieren und – je nach Bedeutungszuweisung – für uns adaptieren in einem Lernprozess. Disruption an sich ist kein Wert, ganz im Gegenteil, – wenn auch die Zahl der sich mit dem Substantiv oder abgeleiteten Adjektiv schmückenden Publikationen und Veranstaltungen dieses suggerieren. Wertvoll jedoch ist die Erkenntnis, welche Prozesse und Strategien dadurch bedroht sind und welche neuen Wege und Ideen stattdessen für eine Zukunftsplanung aktiviert werden müssen. Entwicklungen, die nicht mehr linear erscheinen, sondern als Transformation definiert werden, können niemals durch Verhaltensanpassungen im Sinne eines progressiven „Mehr“, „Besser“, „Weiter“ etc. beantwortet werden. Die Antworten müssen reflektierter ausfallen, der Blick „out-of-the-box“ gewagt werden, damit ein Kultur- oder Systemwechsel gelingen kann. Auch und gerade für die VUCA-Welt muss daher festgehalten werden: Wirkliche, d.h. nachhaltig wirkende und erlebbare Veränderung gelingt nur dann, wenn sie langsam und vor allem (verantwortungs-)bewusst angegangen wird, wenn die Richtung, die Bedeutung und vor allem der Sinn dahinter erkennbar sind. Alles andere bleibt Aktivismus oder Effekthascherei.

Leadership for Change

Die Basiskompetenz von Führungskräften im Change liegt in der Metakommunikation. Denn Ihre Aufgabe ist es vor allem, das Gefühl der Unsicherheit und Destablisierung durch Orientierung und Perspektiven, durch persönliche Bezüge und Erfahrungen zu kompensieren. Veränderung heißt Lernen und erfordert daher lernfähige Führungskräfte. Mit einfachen (Durchhalte-)Parolen, mit einem zweidimensionalen Entweder-Oder ist es dabei jedoch nicht getan. Es gilt tatsächlich auch, die neue Dimension des Unklaren, Unvorhersehbaren und Mehrdeutigen der gesellschaftlichen Entwicklungen auszuhalten, zu formulieren und als dritte Dimension in die Lern-, Führungs- und Steuerungsprozesse zu integrieren. Learning Leaders sind diejenigen, die sich an die Spitze der Change Prozesse setzen – nicht, weil sie schon alles kennen und wissen, sondern vielmehr, weil sie den Mut haben und die Verantwortung spüren, die neuen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten auszuhalten und auszubalancieren.