Alle sprechen vom New Learning (wir auch :-)) – aber was heißt das eigentlich? Was ist wirklich „neu“ daran, was besser, anders, innovativer, transformativ? New Learning ist eine Antwort auf die extremen Umwälzungen der Wirtschaft und Gesellschaft im Zuge der digitalen Transformation. Gleichzeitig, und genau darin liegt die wohl noch größere Chance des Begriffs, ist das New Learning immer ergebnisoffen konzipiert, in der Frage nämlich, wie im jeweiligen Heute ein Lernen von der sich gerade abzeichnenden Zukunft sowie ein Lernen für diese Zukunft organisiert (und erlernt) werden kann, die sich durch eine unvorstellbare Unsicherheit, Mehrdeutigkeit und Komplexität auszeichnen wird.

Das Lernen neu denken, erfahren und gestalten

New Learning heißt – so formuliert es das Hagener Manifestdas Lernen komplett neu zu denken, i.e. alle Inhalte, Formate und Techniken, zugleich aber auch die Wirkungen, Akteure und ihre Rollen grundsätzlich zu reflektieren und (im Sinne eines deutero-learnings) auf den Prüfstand zu stellen. Nicht nur was oder wie, sondern auch wozu wir überhaupt lernen, welche Bedeutung also das Lernen in welchen persönlichen, wirtschaftlichen Lagen jeweils hat, gerät damit (neu) in den Fokus der Diskussion. New Learning zielt auf eine neue Erfahrung des Lernens aller Beteiligten in jedem Bildungskontext – und dies ein Leben lang.

New Learning heißt, die Inhalte, Formate und Techniken des Lernens neu zu entwickeln. Digitale Schlüsselkompetenzen und Future Skills stehen schon jetzt auf einer erweiterten Lern-Agenda der institutionellen und privaten Bildungsakteure und -manager. Digitale oder hybride Lernsettings und -formate bieten die Möglichkeiten, dabei nicht nur zeit- und raumunabhängig didaktisch „versorgt“ zu werden, sondern vor allem auch selbstbestimmt den individuellen Lernbedarfen Rechnung zu tragen. Dass dabei nicht nur auf eine schier unendliche Fülle an Wissensbeständen zugegriffen werden kann (sofern die persönliche Orientierungs-, Strukturierungs- und allgemeine Medienkompetenz dies erlaubt), sondern auch auf die Chance, sich mit Expert*innen und Lernenden im sozialen Netzwerk der ganzen Welt auszutauschen, macht den besonderen Charme des digitalen Lernens aus.

Eine neue Kultur des Lernens entwickeln

New Learning heißt nicht nur mehr zu lernen, sondern besser. Es heißt nicht nur permanent zu lernen, sondern anders. Das setzt eine neue Kultur des Lernens voraus, die nicht nur irgendeine Innovation bedeutet, sondern unsere Fähigkeit und Bereitschaft zum Umgang mit Veränderungen (bzw. Krisen im Besonderen) begründet, trägt und nährt. New Learning ist weniger ein didaktisches, denn ein soziales Projekt, das auf den Schultern der privaten und öffentlichen Akteure in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen zu schultern ist. Das Schlagwort vom Lebenslangen Lernen weist uns dazu seit über 50 Jahren den bildungs- und gesellschaftspolitischen Weg: Als Chance für ein besseres Leben, für soziale Teilhabe, für wirtschaftlichen Aufstieg ist das „Lifelong Learning to Become“ – so formuliert dies die UNESCO-Initiative Futures of Education – nicht nur für das Glück des Einzelnen, sondern für ein nachhaltiges Zusammenleben aller und das Überleben unseres gemeinsamen Planeten maßgeblich relevant.

Neue Lernorte: immer und überall

New Learning setzt nicht nur neue Lernformate, sondern eine Reorganisation der Lernorte – in den Schulen, Ausbildungsstätten und am Arbeitsplatz – voraus. Ob nun das New Learning eine Folge der New Work-Debatte ist oder umgekehrt, scheint dabei nachrangig. Jenseits der Buzzwords geht es um die Frage, wie auf der einen Seite die Transformation unserer Arbeitswelt mit einer flexiblen, individuellen und kooperativen Produktion von Wissen, Produkten und Leistungen mittels neuer, übergreifender ebenso wie hoch spezialisierter Kompetenzen, Rollen und Prozesse gelingt, und wie dieser Change schlicht ausgehalten, befeuert und bestmöglich gestaltet werden kann.

New Learning findet – und das ist die gute Nachricht – unter ganz unterschiedlichen Bezeichnungen und in ganz unterschiedlichen Formaten längst statt. Ob dies durch neue, offenere und vor allem selbst bestimmte und organisierte Formate des Corporate Learnings passiert, durch neue Rollen zur Lernbegleitung und -unterstützung an Schulen und Hochschulen, in einer zunehmenden Durchlässigkeit und Entformalisierung der Bildungsabschlüsse, -ebenen und -institutionen oder mittels einer programmatischen öffentlichen Förderung übergreifender Netzwerke und Kooperationen im Bildungs- und Arbeitskontext – sind wir bereits alle, wenn auch in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und vermutlich auch Motivationen längst nicht am Ziel, doch schon auf dem Weg.

Wenn die Zeit auch drängt – nehmen sollten wir sie uns trotzdem: für einen breiteren Diskurs über das Lernen – mit welcher Vorsilbe auch immer – und genügend Raum für Experimente und Erfahrungsaustausch dazu. Dazu aufgefordert sind wir im Übrigen alle. Denn egal, ob wir es gerade auf der Agenda haben oder nicht, ob wir als Professionals im Bildungskontext agieren, als Personalverantwortliche in der Organisation oder nicht: ohne ein aktives Miteinander im Weiterlernen geht es ganz sicher nicht.

Lernen, um (besser) zu leben

Am besten wohl verstehen wir New Learning als Frage: Was, wie und wozu können, wollen, müssen und sollen wir heute für eine bessere Zukunft von morgen lernen? Lernen ist, von seinem neuro(psycho)logischen Prozess her definiert, ein Phänomen des Sammelns, Einordnens, Assoziierens – so lange, bis sich eine gewisse Zufriedenheit in unserem Verständnis einstellt und solange, wie uns dieser Prozess selbst eine Art von Gratifikation verschafft. Diese Logik des Lernens ändert sich nicht. Auch wenn das Neue am Lernen einmal verblasst, müssen wir daher alles tun, um Normalität (auch kein so schön formuliertes „New Normal“) zu etablieren. Denn eines ist sicher: wenn es ohne Lernen nicht funktioniert, dann ohne die Lust auf Lernen schon zweimal nicht!

 

Bildquelle: unsplash/Markus Spiske

Hop –  step – jump, so gelingt mit der richtigen Schritt- und Sprungfolge, gepaart mit Talent, Übung und dem passenden Quentchen Glück ein optimaler Dreisprung, i.e. möglichst weit, möglichst hoch und möglichst verletzungsfrei. Das Motiv besticht auch alle, die nichts mit der olympischen Disziplin zu tun haben, wähnen wir uns doch im analogen Dreischritt von Analyse – Planung – Handlung auf dem sicheren Weg zum Erfolg. In und nach der disruptiven Erfahrung der Krise scheint uns jedoch jeglicher Rhythmus verloren gegangen zu sein. Das birgt auf der einen Seite die Chance, Unternehmen und Märkte – endlich – neu zu erfinden, besser zu orchestrieren und ganzheitlicher nachhaltiger zu performen. Das ist die gute Nachricht und wichtigste Lektion, die wir aus der aktuellen Verwirrung ziehen können. Auf der anderen Seite wird und muss es darum gehen, Vertrauen (wieder-)herzustellen auf der Basis transparenter Entscheidungen und einer nachvollziehbaren persönlichen und unternehmerischen Identität und Kontinuität. Zwischen einem „Genauso wie bisher“ und „Alles ganz anders“ liegt viel Raum für Beliebigkeit und Kontingenz. Ersetzen wir diese durch Achtsamkeit und Verantwortung, wird dieser Raum zum Zukunftspotenzial.

Szenarien für die Nicht-Planbarkeit

Höher – weiter – tiefer – ?, wohin die Reise führt, und welche Positionen die Unternehmen dabei einnehmen, bleibt weiter ungewiss. Nicht die Effekte gilt es also in den Blick zu nehmen, sondern die Wege und Abzweigungen dorthin. Im Kern geht es um unternehmerische Handlungsfähigkeit, die von außen inspiriert, provoziert und methodisch orchestriert bzw. moderiert werden kann. Die klassischen Stufenmodelle der Vergangenheit helfen uns angesichts der extremen Dynamik, Vernetzung und Zufälligkeit interner und externer Einflussfaktoren zunächst nicht – oder doch? Um mit Neuem, Unbekanntem, Unplanbarem umgehen zu können, brauchen wir als Person oder gesamte Organisation gerade so etwas wie Sicherheit, Vertrautheit, Stabilität. Es gilt, Ängste zu minimieren, Überreaktionen zu vermeiden, Lernen aus Fehlern zu ermöglichen. Darin liegt mehr als eine psychologische Spielerei. Und dass dem so ist, wissen alle Führungskräfte, die einmal versucht haben, Veränderungen per Dekret – anstatt per Verstehen – zu kommunizieren. Gerade weil die Planbarkeit einer besseren Unternehmenszukunft eine Illusion ist, bauchen wir einen systematischen Zukunftsprozess. Dieser wird nicht in der bekannten Stufenfolge nacheinander abzuarbeiten, sondern vielmehr nebeneinander ständig wieder neu zu initiieren sein. Das erfordert über die ein- bis zweidimensionale Logik im Prozess hinaus die Akzeptanz der Mehrdeutigkeit in einem kontinuierlichen Dialog. Sonst geben wir nicht unsere Zukunft verloren, wohl aber die Chance, diese mitzugestalten, zu reflektieren und eine Hauptrolle darin zu spielen.

Hop – Restarting the System

Es schwingt immer ein bisschen Experimentelles mit, wenn wir die Phase nach Corona (wann auch immer diese denn stattfinden wird) als „Anlauf“ oder „Wiederaufbau“ bzw. „Recovery“ bezeichnen. Die Krise hat uns alle gleich getroffen, die spezifischen Herausforderungen und Effekte sind jedoch höchst unterschiedlich. Daher sitzen die Unternehmen auch nicht im sprichwörtlich selben Boot, sondern navigieren  – mehr oder weniger erfolgreich – auf demselben Fluss. Von dieser Unterschiedlichkeit ist auszugehen, wenn die erste und wichtigste Hausaufgabe, d.h. die Frage nach dem finanziellen Überleben erst einmal erledigt ist. Als Restart bezeichnen wir die auf eine Analyse des kompletten Stakeholder-Systems und einer Ableitung priorisierter Maßnahmen erfolgende Positionierung:  Wie steht es mit der kurz- und mittelfristigen Liquidität, was passiert in der Produktion, welche Veränderungen ergeben sich bei den wichtigsten Lieferanten, wo stehen wir im Vertrieb, wie geht es unserem Mitarbeitern, welche neuen Formen der Arbeit müssen und wollen wir realisieren? Das Ziel ist die Fokussierung auf das Wesentliche, um den Motor in einer passenden Geschwindigkeit wieder anlaufen zu lassen, um eine erste Normalität wiederherzustellen. „Business Continuity Management“ meint diese Aufrechterhaltung oder Wiedergewinnung des unternehmerischen Handlungsfeldes.

Step – Planning the Presence from the Future

Ist die Diagnose eines kollektiven Systemversagens zu hart formuliert? Da gab es Politiker, Wissenschaftler, Berater die auf die Möglichkeit des Unmöglichen wie der aktuellen Pandemie hingewiesen haben. Da gab – und gibt – es Szenarien und Studien, die die Unzulänglichkeit unserer Prognose- und Bewertungsinstrumentarien formulieren. Wie nähern wir uns diesem Thema, ohne ausschließlich auf die Begrenztheit und gelegentliche Überschätzung unseres Sehvermögens zu verweisen? Auch hier wird es darum gehen, die Instrumente nicht wegzuwerfen, sondern iterativ in ihrer Anwendung zu verbessern. Nicht das Vorhalten eines Risikomanagements ist die unternehmerischen Antwort darauf, sondern seine pragmatische Erweiterung und zielorientierte Nutzung. Dazu zählt insbesondere die bisher allzu eng beantwortete Frage, wer dieses denn bedienen und verwenden darf…. Dass Planen nicht die Hochrechnung der bekannten Vergangenheit, sondern die Rückrechnung aus der unbekannten Zukunft bedeutet, ist keine neue Erkenntnis. Die Praxis sieht leider immer noch anders aus. Nicht jede Organisation hat die zeitliche, personelle und finanzielle Kapazität, sich mit der Nutzung künstlicher Intelligenz auseinander zu setzen. Wenn es aber gilt, immer kürzere Zyklen und immer sprunghaftere Entwicklungen im Innen und Außen der Organisation auf das Radar unternehmerischer Entscheidungen zu bringen – nicht um für alle Zwecke gewappnet zu sein, sehr wohl aber, um mit dem Unbekannten und Ungewissen zu rechnen, brauchen wir einen „business plan reloaded“, der nicht auf Dauer angelegt, sondern immer informationell wieder neu nach- und aufzuladen sein muss.

Jump – Shaping Future Sustainability

Wie schön war die Erfahrung, nach einem intensiven Strategiewochenende mit visionären Ideen, salbungsvollen Worten und einem Gepäck an ToDos für die Belegschaft in die Organisation zurück zu kommen… – Aber nein, natürlich haben wir so alle niemals gedacht und agiert! Aber wir teilen die Ansicht vieler Beratungskollegen, dass es einer neuen Strategie für die Strategie bedarf (z.B. BCG 2015), um überhaupt so etwas wie strategisches Denken und Handeln moderieren und implementieren zu können. Die wichtigste Erkenntnis des „neuen“ Strategieprozesses ist, dass dieser sehr viel unmittelbarer in seinen Effekten und zugleich sehr viel direkter durch die operativen Handlungen bestimmt sein wird. Wissen zählt als wichtigste Währung darauf ein, und zwar – das wird für viele nur sehr schwer zu lernen und zu erproben sein – vor allem das Wissen im Netzwerk und auf Zeit. Die Exklusivität der klassischen Unternehmensstrategie wird darin nicht nur pragmatisch, sondern auch ideologisch hinterfragt, jedoch nicht mit dem Ziel, diese preiszugeben, sondern vielmehr zu erweitern, zu dynamisieren und zu differenzieren im Blick auf die Formierung einer besseren, nachhaltigeren gemeinsamen Realität.

… und was hat das alles mit unserem „eigentlichen“ Business zu tun? Wofür stehen wir, und wird das anderen auch wirklich klar? Manchmal frage ich mich das selbst, wenn ich mich mit einem täglichen Themen-Potpourri beschäftige, von dem ich meine, dass es für mich und unsere Kunden heute oder morgen oder übermorgen oder irgendwann eben interessant sein kann. Aktuell geht es um „Diversity“, „Innovation“, „Employer Branding“, „Female Leadership“ u.v.m.. Sicherlich spannende Themen, von der klassischen Controlling-Dienstleistung jedoch meilenweit entfernt. Oder nicht?

Wofür steht Unternehmensberatung, wenn nicht für den Blick auf das Ganze, die Schärfung des Wesentlichen und die Initiierung von Neuem? Auf der anderen Seite ist selbstverständlich Tiefe und Expertise gefragt, die im Vollsortiment des Universalinteressierten nicht untergehen darf. Trotzdem: Experimente, Höhenflüge, Quer- und Darüberhinaus-Denken sind nicht nur erlaubt, sondern Voraussetzung für eine im besten Sinne ganzheitliche Beratungs- und Trainingskompetenz.  Und zwar als Methode, die dann konsequent und souverän einzusetzen ist. Unsere Mission heißt „Ungedachtes Denkbar machen“ und wurzelt in einer Haltung, die unser Gründer bereits vor über 40 Jahren so formuliert hat (in der Kontinuität anderer, bekannterer Philosophen mit geringerem Unternehmensbezug).

Wenn Controlling heißt, heute schon Potenziale für eine unbekannte Zukunft zu entdecken und nutzbar zu machen, dann ist vor allem Rechnen zuerst das Denken und ein neues Sich-Verhalten gefragt. Das verpflichtet uns:  Controlling heißt Lernen, … it´s still a long way.

Leadership ist – in vielzähligen Bindestrichvarianten – wieder mal en vogue. Führungstrainings haben Konjunktur. Coachings sind als Zeichen einer selbstbewussten Auseinandersetzung mit der eigenen Führungsrolle und -position längst akzeptiert. Und dennoch bleibt die Antwort auf die Frage, was nun unter „guter“ oder „richtiger“ Führung zu verstehen sei auch angesichts einer profunden Forschungs- und Erklärungslage weiter offen. Viel ernst zu nehmender noch sind die Zahlen der durch falsche oder unzureichende Führung demotivierten, gestressten, gleichgültigen oder bereits innerlich gekündigten Mitarbeiter/innen und der daraus resultierenden Fehlentscheidungen in der Organisation. Sicher scheint, je mehr wir uns dem Phänomen Führung nähern – ob aus wissenschaftlicher oder praktischer, psychologischer, soziologischer, politischer oder ökonomischer Sicht – so sehr entgleitet es uns zugleich.

Perspektivwechsel: von der Führung zum lebenslangen Lernen

Was aber, wenn Führung nicht die Antwort wäre, sondern die Frage? Wenn gute Führung nicht als Lernziel, sondern als Mittel für ein besseres Lernen von Menschen und sozialen Systemen zu verstehen ist? Die Umkehr der Perspektive macht nicht die vielen weniger oder besser tauglichen Ansätze und Methoden des Führens obsolet, bringt sie aber in einen neuen gedanklichen Zusammenhang: Nicht Führung setzt den Rahmen, sondern die Reflexions- und Reaktions-, d.h. Lernfähigkeit einer Person oder Organisation.

Prämisse: (Weiter-)Lernen positiv konnotiert

Solange jedoch Lernen – zumindest auf einer gewissen Hierarchieebene – eher als Eingeständnis des (noch) nicht Wissens, denn als aktiver Gestaltungswille konnotiert scheint, ist der psychologische Autoritätsverlust also vorprogrammiert. Führung (neu) lernen setzt eine atmende Organisations-, Führungs- und Lernkultur voraus, die es gleichzeitig erst zu schaffen gilt. Wir müssen also über das Lernen sprechen, in aller Offenheit und in aller Bewusstheit eines anstrengenden, von Irrtümern und Fehlannahmen gepflasterten Wegs.  Dafür erhalten wir neue Freiräume, neue Einsichten und Optionen jenseits der Logik unserer (Führungs-)Position,  was – nicht nur in Zeiten der aktuell enorm anmutenden Veränderungsintensität – nur von Vorteil sein kann. Voraussetzung ist eine individuelle und organisationale Souveränität im Umgang mit Neubewertung und Unsicherheit. Die Bundesanstalt für Arbeit setzt  – so vor kurzem zu lesen – sogenannte „Lerncoaches“ ein, die nicht nur, aber gerade auch erfahrenen Führungskräften die neuen Dimensionen Ihrer Lern- und Entwicklungsverantwortung erfahrbar machen. Neue Perspektiven zeigen neue Wege. Führung heißt, diese bewusst zu nutzen oder eben auch nicht.

Nicht lernen, um zu führen, sondern führen um zu lernen

Die Logik einer Leadership-Philosophie, die das lebenslange Lernen als elementares Entwicklungsprinzip nicht nur formuliert, sondern in den täglichen, privaten und beruflichen Bezügen über alle Lebensalter hinweg durch dekliniert, ist denkbar einfach und unglaublich schwer zugleich. Wir müssen also zuerst das Lernen verstehen, um erfolgreiche Führung daraus ableiten zu können. Dann allerdings gilt: Führung ist lernbar. Führung kann und muss jedoch gelernt werden, um erfolgreich zu sein – und zwar ein Leben lang.

Ein sinnvolles Risikomanagement umfasst weit mehr als die Erfüllung juristischer Mindestanforderungen. Die wesentliche Zielsetzung liegt im rechtzeitigen Erkennen von Chancen und Gefahren und insbesondere deren Nutzung bzw. Abwehr. Dazu sind zum einen Strukturen und Prozesse notwendig, die Erfassung, Analyse und Kommunikation der Risiken ermöglichen. Vor allem aber werden regelmäßig Informationen aus unterschiedlichen Datenquellen (externe und interne Systeme) benötigt, um eine aktuelle Risikobewertung sicherzustellen. 

Moderne Risikomanagementsysteme sind als integrierte Steuerungssysteme zu verstehenSie basieren auf flexiblen, integrierten Datenmodellen mit hohem Automatisierungsgrad. Dadurch können Effizienz und Aussagefähigkeit verbessert werden. Neben der Erfüllung der Anforderungen nach KonTraG ermöglichen sie eine aktive Einbindung der Führungskräfte und Mitarbeiter in den Prozess.  

Es wird Zeit, das vorhandene Risikomanagement auf den Prüfstand zu stellen – nicht nur inhaltlich. Insbesondere der Nutzungsgrad und -wille, die internen Prozesse und das zugehörige System sollten überprüft werden.  

Für ein aktiv genutztes Risikomanagement stellt die passende Softwarelösung einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar. Durch innovative Ansätze bei der Risikoanalyse und –bewertung sowie greifbare Strukturierungen und Visualisierungen im Risiko-Reporting lässt sich die Wirkung des Risikomanagements auf die strategischen und operativen Steuerungsentscheidungen deutlich verbessern. 

Damit eine Risikomanagement-Software für das Unternehmen strategische Vorteile realisieren kann, sind aus unserer Sicht folgende Anforderungen erfolgskritisch: 

  • Die Software muss individualisierbar sein, um bestehende Strukturen und Prozesse des Risikomanagements im Unternehmen aufgreifen und softwareseitig umsetzen zu können.  
  • Vorhandene Datenquellen, insbesondere im Hinblick auf bereits eingesetzte Controlling-Systeme, müssen angebunden werden können, um tagesaktuelle Indikatoren für die Risikoentwicklung abbildbar zu machen. 
  • Die Softwarelösung muss eine hohe Anwenderfreundlichkeit vorweisen können, damit die Nutzer nicht dauerhaft mit der Softwareanwendung herausgefordert sind, sondern ihr Augenmerk direkt auf die Analyse und das Management der Risiken lenken können. 

Risikomanagement 4.0 bedeutet also, durch eine ganzheitliche Vorgehensweise in Zielsetzung, Organisation und Software das Risikomanagement zu einem festen Bestandteil der strategischen und operativen Unternehmensführung zu machen und somit die dauerhafte Existenzfähigkeit des Unternehmens fundiert abzusichern. 

Wir können das Phänomen „Führung“ bis heute nicht begreifen. Google führt uns das eindrücklich vor Augen mit einer enormen  Trefferzahl für Führungstheorien, -modelle, -konzepte und –definitionen: Weit über 50 Millionen Ergebnisse allein erzielt die naive Frage „was ist Führung“, deutlich weniger, aber immer noch im hohen 5-stelligen Bereich die Frage nach „guter“ bzw. „erfolgreicher“ Führung im world wide web. Führung ist Alltagsbegriff und wissenschaftliches Konzept zugleich.  Als spezifisches Phänomen sozialer Beziehungen ist Führung der Ausdruck einer Machtasymmetrie, die wiederum (in der Definition Max Webers) auf persönlichen, erworbenen oder funktionalen Herrschaftsansprüchen basiert.

Führung interessiert, Führung polarisiert und Führung provoziert

… gerade deshalb, weil sie Ordnung im Sinne von Gleichrangigkeit erst einmal verschiebt und schließlich Handlungsfähigkeit durch soziale oder thematische Über- und Unterordnung überhaupt möglich macht. Jenseits der historischen und anthropologischen Bezüge wurde diese psychologische Dimension des Führungsphänomen erstmals mit der Entstehung großer Organisationen erkannt: Zur technokratischen Betriebsführung während der ersten Phase der Industrialisierung und dem Management der Militärmaschinerie während und nach den großen Kriegen des 20. Jahrhunderts wurde die Frage nach der Auswahl geeigneter Führungskräfte und der Strukturierung von Führung als organisierter Prozess essentiell.

Im Fokus: wer führt – und wie?

Die ersten organisationspsychologischen Untersuchungen lieferten die Erkenntnisse darüber, welche Eigenschaften die „great men“ (von women war noch lange nicht die Rede), haben mussten, welche Verhaltensweisen und welche Stile unterscheidbar sind, wie diese schließlich situationsspezifisch zu bewerten und in der Interaktion mit den Geführten (als später ergänzte Perspektive) in einem – noch später als systemisch bezeichneten – Umfeld auszuwerten sind. Das Schwanken zwischen Person und Kontext, zwischen Authentizität und Variabilität, zwischen Sach- und Beziehungsorientierung, das sowohl die einzelnen Konzepte als auch die aufeinanderfolgenden Moden und Trends unterscheidet, prägt bis heute unser Begriffskorsett. Führung, so scheint es, braucht die Pole Schwarz und Weiß, Mann und Frau, Aufgabe und Mensch, Transaktion und Transformation etc. um sich irgendwo dazwischen zwischen den Polen schwarz und weiß, um sich verorten zu können.

Schwarz versus weiß ist nicht gleich grau

Extreme (Denk-)Perspektiven schaffen weite Horizonte, sofern sie als ein „von … bis“ und nicht als ein „entweder … oder“ begriffen werden. Der Trugschluss besteht jedoch darin, die (Auf-)Lösung in der Mitte, im Einheitsgrau des Kompromisses zu suchen. So findet keine Entwicklung statt. Moderne Führung wird heute – jenseits der zweidimensionalen Logik – mehrdimensional begriffen, als organisches und lernendes System. Führung zielt vorrangig Veränderungsfähigkeit und –erfolg. Das bedeutet, die weiten Perspektiven des jeweils Denkbaren immer wieder neu zu auszuloten und für das System zu vermitteln. Das beinhaltet auch, bisherige Erfahrungen und Wissensstände zu überprüfen und zu verändern. Fehler- und Unsicherheitstoleranz ist dabei eine völlig neue und für viele ungewohnte, jedoch unabdingbare Führungseigenschaft. „Beidhändigkeit“ oder besser: Multiperspektivität ist das Führungsmittel der Wahl.

Mehr Führung wagen

Angst und Unwissenheit katapultieren in Zeiten der radikalen Veränderung sogenannte Great Men or Women an die Macht. Erfolgreiche Führung überträgt ganz im Gegenteil die Prozesse des Ausprobierens und Mitgestaltens an die Gemeinschaft zurück. Lernende Führung schafft sich damit nicht selbst ab, sondern positioniert sich neu – jenseits von schwarz und weiß – als Perspektivenentwickler und Rahmengeber. Das bedeutet nicht weniger Führung, sondern eher mehr. Und es transzendiert die vermeintlichen Unterschiede zwischen männlicher und weiblicher Führungslogik in einem spannenden Diskurs. Die Alternativen schwarz und weiß bilden nur Anfangs- und Endpunkt einer unzähligen Menge an Optionen für den individuellen und organisationalen Führungserfolg.

In unseren Seminaren und Vorträgen kommt sie seit vielen Jahren immer wieder zum Einsatz: die Geschichte von der Herdplatte. Der primäre Effekt ist Aufmerksamkeit:  wenn die Zuhörer darüber lachen, ihr eigenes Verhalten darin spiegeln und – das ist der zweite Effekt – über ihre Reaktionen nachdenken und scheinbar Selbstverständliches in Frage stellen. Eine positive Gestimmtheit und die Motivation zur Selbstreflexion – im Erzählen der Anekdote steckt ein enormes Lern- und Führungspotenzial!

Um das Lernen zum Angelpunkt der eigenen Unternehmensgeschichte werden zu lassen, braucht es zunächst einmal Mut: Den Mut, eigene Entwicklungsbedarfe zu offenbaren und den Mut, scheinbare Sicherheiten bei den Kunden konsequent in Frage zu stellen. Was unter der Flagge des Change Managements und des Lifelong Learning heute als selbstverständlich – zumindest – postuliert wird, war in der Entstehungsphase unseres Trainings- und Beratungsunternehmens vor etwa 30 Jahren sicherlich noch etwas Ungeheures. Zugleich formierte sich darin eine normative Kultur des Lernens, die als „Konstante des Wandels“ für die Mitarbeiter wie für die Kunden bis heute gleichermaßen Halt und Perspektive gewährt.

Learning Leadership

Doch was macht nun aus einer innovativen Lern- zugleich eine nachhaltige Erfolgsgeschichte? Dazu bedarf es zum einen einer (unternehmerischen) Vision und zum zweiten einer Führung, die Lernmotivation vorlebt, Lernengagement fordert und Lernerfolge auf die definierten (Unternehmens-) Ziele hin integriert und kommuniziert. Learning Leaders sind die Personen oder Organisationen, die alle drei Orientierungen in sich vereinen und ihr Handeln konsequent daran ausrichten.

Learning Leadership

Sowohl die eigene Unternehmensentwicklung als auch die Beratungs- und Trainingseffekte sind in hohem Maße von der Qualität der Learning Leaders abhängig: Führungskräfte, die das Creative Learning nicht beherrschen und durch ihr eigenes Verhalten mangelnde Offenheit gegenüber Neuem und Interesse an persönlicher Weiterentwicklung zeigen, torpedieren jeglichen Veränderungsprozess. Führungskräfte, die das Initiative Learning vernachlässigen, um ihre Mitarbeiter entsprechend ihrer Talente zu fördern und zu fordern, werden nur teilweise Nutzen aus effektivitätssteigernden Maßnahmen und Systemen ziehen. Und Führungskräfte, die das Strategic Learning nicht kennen, werden mittelfristig die Erfolge der gesamten Organisation verspielen. Umgekehrt ermöglichen das bewusste Anwenden und der Wechsel der Perspektiven ungeahnte Möglichkeiten. So entwickelt der Vorstandsvorsitzende im gemeinsamen Workshop mit der Empfangschefin neue Ideen der Kundengewinnung oder erkennt der Vertriebsleiter im Austausch mit dem Kollegen von der Fertigung überraschende Lösungen für seinen Prozess.

Die „Geschichte von der Herdplatte“

Werterhaltende Führung basiert auf dem Gedanken der Nachhaltigkeit. Wertorientierte Führung entsteht darüber hinaus in der Abwägung ökologischer, ökonomischer und sozialer Entwicklungspotenziale mit der vorhandenen organisatorischen und persönlichen Substanz. Wertvolle Führung schließlich impliziert Sinnstiftung durch Lernen, da im Führungsprozess eine neue Qualität des individuellen oder unternehmerischen Handelns entsteht.

Miteinander und voneinander zu lernen setzt eine Kultur der Offenheit voraus, die Fehler nicht vermeidet, sondern im Gegenteil bewusst erlaubt. Denn Irrtümer bieten die Chance, aus Erfahrungen zu lernen, neues Wissen zu erproben und der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. So schließt sich in der Geschichte von der Herdplatte der Kreis:

Wer einmal als Kind auf eine heiße Herdplatte gefasst hat, hat schnell den Zusammenhang von Hitze und Tastsensibilität der Haut erkannt und als Verhaltensregel verinnerlicht, dass Berührungen besser zu unterlassen sind, solange Feuerstellen o.ä. erkennbar aktiv sind. Das abermalige Prüfen dieser Regel kann wohlmeinend als besonders absicherndes Verhalten gewertet werden (diese Kinder werden in der Regel später Techniker oder Grundlagenforscher). Wenn jedoch trotz erfahrbarer Negativreaktionen die Tests weitergehen, kann dies nicht mehr als Fehler oder Irrtum, sondern nur noch als Dummheit beschrieben werden, und es müssen dauerhafte Schäden schnellstens vermieden werden.

Learning Leaders scheuen keine brennenden Herausforderungen, – ganz im Gegenteil. Aber sie verteilen die Schlangen der Versuchswilligen auf unterschiedliche Themen und Orte, stellen positive und negative (Lern-) Erfahrungen zur Diskussion und verfolgen konsequent die Strategie einer substanziell und ideell wertvollen Organisation.

Über MOOCs lässt sich bildungs- und gesellschaftspolitisch trefflich streiten. Publikumswirksam sind sie allemal – zumal dann, wenn renommierte Wissenschaftler wie der Geschichtsprofessor und Universitätspräsident Michael S. Roth über Moderne und Postmoderne  referiert. Marketing in eigener Sache muss gewiss nicht als Hauptmotiv unterstellt werden. Die Erschließung des digitalen Lernraums kann bei ihm getrost als Methode angesehen werden, übergreifendes Wissen in möglichst vielfältigen, neuen oder auch bislang unerschlossenen Dimensionen einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Zukunft meint immer ein Stück darüber hinaus

So wie bei den massive open online courses immer ein Stück mehr als das bisherige Zielpublikum adressiert wird – von dem dann wiederum nur ein kleiner Teil bis zur didaktischen Zielgeraden durchhält, was allerdings ein ganz anderes Thema beschreibt – so kann Zukunftslernen auch inhaltlich als ein Ziehen weiterer, themen- und disziplinenübergreifender Kreise gedacht werden.

Innovation durch Tradition bleibt die Ausnahme

Wenn also der „Input“ der zukünftigen Wissensdimensionen ebenso wie der „Output“ oder „Outcome“ vermittelter Kompetenzen  vor allem eines gemeinsam haben, i.e. ihre extreme Unklarheit, Vernetztheit und Widersprüchlichkeit, so müssen zumindest Entwicklungs- oder Veränderungsfähigkeit auf der einen und Integration bzw. Mehrdimensionalität auf der anderen Seite als Basiskategorien für Didaktik und Inhalte der Bildungsprozesse gesetzt werden. Damit tun sich die über lange Zeit gewachsenen Strukturen unserer schulischen und akademischen Institutionen erfahrungsgemäß sehr schwer. In seinem 2014 erschienenen Buch „Beyond the University“ formuliert Roth die Antwort auf diese Herausforderung in einem traditionellen Bildungskonzept:

„Liberal  Education Matters“

Für eine Form universitären Lehre, die den neuen und disruptiven Phänomenen unserer Lebens- und Alltagswelt entspricht, braucht es eine Bildungsidee, die weniger auf Rezeption und Anwendung denn auf individuelle Befähigung, übergreifende Zugänge und kritische Reflexion der lebenslang Lernenden zielt. Roth rekurriert in seiner Empfehlung für den US-amerikanische Gesellschafts- und Bildungssystem auf die pragmatisch orientierten Klassiker der eigenen Nation, gleichwohl konzedierend, dass „liberal education is not just an American idea“ (op.cit. 3). Tatsächlich bildet das Konzept eines ganzheitlichen, den Menschen in seinem Streben und Sinn ausmachenden Bildungskanon die Basis erst der antiken Philosophie, später der mittelalterlichen Scholastik und der ersten Phase der europäischen Universitäten zwischen Humanismus und Aufklärung.

3 + 4 des Weltwissens

Historisch umfassen die „artes liberales“ einen 7-teiligen Fächerkanon aus Grammatik, Rhetorik und Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie. Frei („liber“) war, wer sich – ohne einer Erwerbsarbeit hingeben zu müssen – mit eben diesen wertvollen Wissensgütern auseinandersetzen konnte. Und frei wurde derjenige, der durch sein Studium geistige Unabhängigkeit, Urteilsfähigkeit und Selbstsicherheit im Umgang mit Neuem, Anderem, Fremden erlangen konnte. Dieses antike „transforming of the self“ klingt im humanistischen Ideal und den heutigen Überlegungen zur Orientierungs- und Sinnstiftungsfunktion sozialer Bildung wieder an.

Ein Stück Freiheit für die digitale (Bildungs-)Welt

Die Hochschulen und alle anderen privaten und öffentlichen Lehr- und Lerninstitutionen haben sich längst auf den Weg gemacht: Die Neuorientierung wird durch innovative didaktische Formate und Methoden, aber auch komplementäre Angebote wie Persönlichkeitsbildung, interdisziplinäre und projektorientierte Aufgabenstellungen oder übergreifende Veranstaltungen wie ein Studium Generale erfolgreich erprobt. Tatsächlich bergen die Artes Liberales aber ein noch viel weit greifenderes Potenzial – das auch durch eine Kopie der amerikanischen Liberal Art Schools und Colleges nur unzulänglich zu heben ist: Die Struktur des antiken Bildungskosmos kann längst nicht mehr als Beschreibungs- oder Erklärungswissen in toto herangezogen werden. Im Post-post-Zeitalter der Weltwissensgesellschaft benötigen wir eher dynamische Strukturen und logische Inseln zur Identifikation von Ähnlichkeiten, Beziehungs- und Prozessmustern, die innerhalb und zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen Einordnung und Entwicklung ermöglichen. Der Blick zurück auf die sieben Künste könnte daher eine neue Freiheit generieren, um das aktuelle Primat der Handlungsorientierung und einer hohen Fachspezifik zu Gunsten einer stärkeren Sinnorientierung und fachunabhängigen Befähigungslogik aufzubrechen. Unsere Bildungspläne – auf allen Stufen der Lernpyramide – brauchen kein quantitatives Mehr, häufig aber ein qualitatives Plus an Tiefe, Breite, Buntheit und Pragmatik. Das schließt auch und gerade die Freiheit mit ein, Neues zu lernen, das man nicht gerade jetzt und gerade für den definierten Handlungszweck auch braucht.

Das Rollenspiel von Männern und Frauen im Beruf

.. ein Selbsttest: stellen Sie sich bitte folgende Personen vor: A ist besonders emotional und einfühlsam, verfügt über ein gutes Sprachgefühl, diplomatisches Geschick und schätzt die Arbeit im Team.  B agiert vorrangig rational und zielorientiert und präsentiert sich als dominant, unabhängig und machtorientiert. Welche Bilder entstehen in Ihrem Kopf? Es ist sehr wahrscheinlich, dass Sie A eher als Frau und B als Mann „betrachten“, zumindest suggerieren dies die hier verwendeten (häufigsten) stereotypen Charakterisierungen weiblicher und männlicher Führungslogik  – vor allem dann, wenn sie im Verbund auftreten. Weitere Zuschreibungen wie „weich“ (A) oder „hart“ (B),  „zierlich“ (A) oder „kräftig“ (B) verstärken den Effekt klarer Zuordenbarkeit. Tatsächlich steht hinter den Verhaltensstereotypen ein spezifisches Bild für Stärke und Erfolg. Da hierbei vermeintlich männliche Merkmale im Vorteil sind, kann man sagen:

Frauen haben trotz ihrer Geschlechtszugehörigkeit Erfolg, Männer gerade deswegen

In der traditionellen Führungslehre wurden die dichotomen Zuordnungen weiter verstärkt: Die Entscheidung zwischen einem primär macht-, sach-, ziel- und ergebnisorientierten, „transaktionalen“ Verhalten und einem eher emotionalen, team-, beziehungs- und wirkungsorienterten, „transformationalen“ Stil in unterschiedlichen Situationen bedeutet in der Praxis zwar keinen Wechsel der Spieler auf dem Feld, schreibt das Typisierungskonzept jedoch weiter fort. Erfolgreiche Karrierefrauen bzw. Frauenkarrieren sind zahlenmäßig noch immer im Nachteil und werden demgegenüber als „besonders“ wahrgenommen und tituliert. Im  Falle des Scheiterns wird dieser Effekt – im Sinne einer self-fulfilling-prophecy – dann noch verstärkt.

Women matter – „weibliche“ Führung macht den Unterschied

Tatsächlich scheint die Diskussion aktuell weniger hitzig, die Debatte weniger relevant: Dank politischer, sozialer und unternehmerischer Initiativen für Gleichstellung, Integration und Vielfalt ist zumindest eine deutlich größere Sichtbarkeit erreicht: sowohl hinsichtlich der offenen Leer- und Baustellen als auch der erzielten Erfolge und der erfolgreichen Frauen, die der öffentlichen Diskussion ein Gesicht geben und als Vorbild wirken. Für eine moderne, flexible und inspirierende Führungs- und Organisationskultur ist Diversität – nicht nur im Genderaspekt – jedoch die conditio sine qua non. Die „weibliche“ Perspektive ist darin zumindest ein Mehrwert, den es dringend anzustreben gilt. „Women matter“ ist Titel und Ergebnis einer seit 2007 durchgeführten Studie von McKinsey. Höhere Frauenanteile im Management – und zwar mindestens in drei Vorstands- oder vergleichbaren Funktionen – führen demnach nachweislich zu einem größeren ökonomischen Erfolg. Nachhaltiger unternehmerischer Erfolg wird vor allem auf der normativen und emotionalen Ebene gemeinsamer Werte, persönlicher Zuwendung und sinnstiftender Ziele generiert, wie die jährlichen Ermittlung des Engagement-Index durch das Gallup-Institut eindrücklich vor Augen führt.  – Eher „weiblich“, oder? Die Anlageempfehlung eines Schweizer Bankhauses in den „Top Executive Woman Basket“ wirkt deshalb nur konsequent.

Das Können ist gleich, im Wollen und Dürfen liegt der Unterschied

„Mögen täten wir schon wollen – nur dürfen haben wir uns nicht getraut“ – so hat es der verstorbene Komiker Karl Valentin einmal formuliert. Im Falle der Frauenkarrieren verhält es sich so ähnlich: Können tun sie es schon, wollen jedoch ein bisschen weniger, und mit dem dürfen und zutrauen hapert es ebenfalls. Frauen und Männer unterscheiden sich tatsächlich nicht in ihrer theoretisch abrufbaren Führungskompetenz. Doch sie nutzen diese Fähigkeiten unterschiedlich, mit einer schwächeren Aufstiegsmotivation und einer signifikant geringeren Aufstiegskompetenz. Führungserfolg ist eine Frage der Persönlichkeit. Idealerweise sind darin eine hohe Extraversion, emotionale Stabilität sowie Vertrauen in die eigene Kompetenz mit einer hohen Zielorientierung und kommunikativer Kompetenz gepaart. Eine besondere Mischung also, bei der diejenigen im Vorteil sind, die nicht nur über eine klare Vorstellung der gemeinsamen, sondern durchaus auch der eigenen Erfolgsaussichten verfügen. „Presencing Gender“ fordert die Schweizer Professorin Marlies Fröse. „Presencing  new perspectives“ wäre die logische Folge daraus, damit wir in einer immer vielfältigeren, widersprüchlicheren und dynamischeren Welt nicht durch Einäugigkeit verloren gehen.

In der Diskussion um smartes Lernen, digitale Bildung, Wissensvermittlung 2.0 wäre sein Beitrag vermutlich unter den Tisch gefallen: Wilhelm von Humboldts „Ideen zu einem Versuch, die Gränzen (!) der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen“ sind zwar inhaltlich höchst progressiv. Deshalb fielen sie 1792 vermutlich auch der Zensur zum Opfer, bevor sie 1851 erstmals einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich wurden. Massen- bzw. marketingtauglich im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie ist der Titel bis heute nicht. Das ist schade, skizziert er doch mit den Aspekten der Selbstverantwortung, Entwicklungsorientierung, Vielfalt und Partizipation exakt die Basisdimensionen dessen, was unser modernes Bildungssystems noch immer nicht erreicht. Nicht alles, was der preußische Minister und humanistische Denker beschreibt, passt direkt in unsere Zeit. Der uneingelöste Anspruch einer auf den Menschen bezogenen Bildungsidee, die über Erziehung und Qualifikation hinaus für sich und an sich Relevanz, Motivation und Wirksamkeit besitzt, jedoch bleibt.

Philosophie für die Praxis!

Die Orientierung an einer – individuell zu definierenden und anzustrebenden – Ganzheitlichkeit ist das humanistische Pendant zur selbst“gemachten“ Kompetenzbiografie unserer Zeit. Letztere hat zwar auf dem Markt der sozio-ökonomischen Selbstdarstellung im Mainstream der Employability gerade Konjunktur. Spätestens jedoch im kritischen Dialog, der komplexen Entscheidungsfindung im Umfeld von Innovation und Veränderung bedarf es weit mehr als der Fähigkeit, qua  Erfahrung, Wissen und Können situativ passend zu agieren. Das Spiel mit den Möglichkeiten beherrscht nur derjenige, der Unsicherheit und Unschärfe bewusst integriert. Kompetenz ist eine Funktion, Bildung ein Antrieb, der die Perspektiven des Nichtwissens und Nichtkönnens auslotet, um neue und bessere Optionen für die Zukunft zu generieren. Ein System, das – nur – funktioniert, erzeugt keinen Zusammenhalt, schafft keinen Sinn. Ein System, das inspiriert, offenbart Anspruch und Widerspruch, integriert Neues und Anderes über das Bekannte und Machbare hinaus. Scheitern ist dabei jederzeit eine Option, das Lernen aus den Misserfolgen und die Entwicklung einer individuell passenden Balance jedoch auch.

Mehr Bildung heißt nicht weniger Kompetenz

Dass die Kompetenzlogik auch nach fast 30 Jahren die Schulen, Institutionen und Unternehmen noch immer nicht komplett durchdrungen hat, liegt vor allem an zwei Gründen: Kompetenz braucht immer ein „wohin“ und „wozu“, also einen normativen Bezug, um wirksam zu werden. Zum anderen fehlt die Klammer eines Bildungskonzepts, das die Person statt die Institution, den Inhalt statt die Form in den Mittelpunkt stellt und damit gleichzeitig einen bessere Abstimmung und größere Durchlässigkeit der institutionellen Angebote und Abschlüsse möglich macht.

Alles schon mal dagewesen …

Eine Bildungskatastrophe, wie vor 50 Jahren öffentlich ausgerufen, haben wir gerade nicht. Wohl aber mit der digitalen Transformation eine gesellschaftliche Herausforderung, die nur durch ein eigenes Bild, nur durch eine kritische Bildung bewusst erlebt und gestaltet werden kann. Und es fehlt an nachvollziehbaren Wegen, die vielen Inseln der Bildung in unserer Republik miteinander zu verbinden und anzuwenden. Digitale Bildung, also die Vermittlung und Nutzung digitaler Medien und Prozesse, ist ein wesentlicher Teilaspekt, um die neue Wirklichkeit verstehen zu lernen und Wissen theoretisch für jeden zu jeder Zeit und an jedem Ort zur Verfügung zu stellen. Was fehlt, ist eine zeitgemäße Version der Bildungsidee, gefolgt von der politischen und ökonomischen Umsetzung. Humboldt 2.0 ist bereits in vielen (hoch-)schulischen Konzepten eines lern(er)orientierten Unterrichts Realität. Auf der anderen Seite bleiben digitale Recruiting-Programme auf formale Qualifikationen fokussiert, hört Ganztages- und ganzheitliche Betreuung nach dem Kindergarten- oder Grundschulalter auf, sind die Ein- und Umstiegschancen für Ältere oder geringer Qualifizierte zwischen gemeinnütziger und Erwerbsarbeit höchst unausgewogen verteilt. Wir brauchen kein Mehr an Qualifikation, sondern ein Mehr an Bildung und einen öffentlichen interdisziplinären Diskurs darüber, welches Wissen in welcher Form in den Kindergärten, Schulen und Ausbildungsstätten gelehrt und gelernt werden soll. Das Wissen hierzu liegt längst vor. Mit den individualistischen und partizipativen Leitideen der Humanisten und Aufklärer und der kritische Didaktik informeller und selbst gesteuerter Lehr-/Lernformate, den Erkenntnissen der Gehirnforschung und Lerntheorie liegen fundierte und anwendungsorientierte Ziel- und Lösungskategorien bereits vor.

Die aktuellen Veränderungen der Innen- und Außenwelt von Organisationen sind hinreichend formuliert: Ihr wichtigstes Momentum liegt in der – meist als „disrupt“ – etikettierten Unerwartbarkeit und zugleich Unausweichbarkeit vielfältigster Entwicklungen, die einerseits Planung und Steuerung nach traditionellen Methoden als untauglich erweisen, andererseits enorme Bedürftigkeiten nach Orientierung, Plausibilität und Halt mit sich ziehen.

„Postfaktische“ Zerrbilder

Politik und Gesellschaft halten dieser Realität gerade den Spiegel vor, mit dem verzerrten Antlitz scheinbar starker Autoritäten und heilsbringender Akteure sowie dem Trend zu vereinfachten Wahrheiten jenseits differenzierter Fakten und Ereignisse und populistisch deklarierten Deutungshoheiten im öffentlichen und privaten Diskurs.

Und die Wirtschaft?

Vor wenigen Jahren noch verschrien als das allgemeine Denken und Handeln dominierende, gar manipulierende ökonomistische Daseinskonzept, richtet sie ihren Blick vornehmlich nach innen, auf die qua Digitalisierung, Internationalisierung und demografischer Verschiebungen stattfindende Erosion der Prozesse und Beziehungen zwischen und innerhalb der Unternehmen und Organisationen. An Stelle des umstrittenen Primats der Ökonomie scheint gerade ein Rückzug auf das angestammte Terrain stattzufinden, zumindest in der reflexiven, Diskurs prägenden Dimension. Dieser Rückzug ist jedoch nicht statthaft, ja geradezu fahrlässig, wenn Machtkonstellationen in der Weltgesellschaft – je nach Gusto – mal unter rein diplomatischen, mal unter rein betriebswirtschaftlichen, seltener unter ethisch-moralischen Gesichtspunkten bewertet werden.

Wirtschaft vor, in oder für die Gesellschaft?

Als mögliche Perspektive für unsere aktuelle Gegenwart und Zukunft formulierte der Wirtschaftsethiker Peter Ulrich um die Jahrtausendwende das Programm einer „Wirtschaft in der Gesellschaft“, einer Wirtschaft also, die sich ihrer Verantwortung für das Allgemeinwohl in der Weise und in der Dimension bewusst zeigt, in der sie national und international agiert. Dies entbindet nicht von der Innovation neuer Themen und Strukturen im Kontext der digitalen Transformation. Doch es erfordert zugleich einen verantwortungsvollen Blick über den Tellerrand der eigenen ökonomischen Existenz. Die Reichweite und Qualität der Veränderungen drohen ebenfalls zu einer Erosion von Verantwortlichkeit in der Weltgesellschaft zu führen. Sinn, Orientierung und Plausibilität entstehen nicht von selbst, sondern im durchaus kontroversen, aber in jedem Fall transparenten und offenen Nachvollzug vernünftigen Handelns. Unternehmen sind hier nicht alleine gefordert, aktiv dabei sein sollten sie aber in jedem Fall.