Das Rollenspiel von Männern und Frauen im Beruf

.. ein Selbsttest: stellen Sie sich bitte folgende Personen vor: A ist besonders emotional und einfühlsam, verfügt über ein gutes Sprachgefühl, diplomatisches Geschick und schätzt die Arbeit im Team.  B agiert vorrangig rational und zielorientiert und präsentiert sich als dominant, unabhängig und machtorientiert. Welche Bilder entstehen in Ihrem Kopf? Es ist sehr wahrscheinlich, dass Sie A eher als Frau und B als Mann „betrachten“, zumindest suggerieren dies die hier verwendeten (häufigsten) stereotypen Charakterisierungen weiblicher und männlicher Führungslogik  – vor allem dann, wenn sie im Verbund auftreten. Weitere Zuschreibungen wie „weich“ (A) oder „hart“ (B),  „zierlich“ (A) oder „kräftig“ (B) verstärken den Effekt klarer Zuordenbarkeit. Tatsächlich steht hinter den Verhaltensstereotypen ein spezifisches Bild für Stärke und Erfolg. Da hierbei vermeintlich männliche Merkmale im Vorteil sind, kann man sagen:

Frauen haben trotz ihrer Geschlechtszugehörigkeit Erfolg, Männer gerade deswegen

In der traditionellen Führungslehre wurden die dichotomen Zuordnungen weiter verstärkt: Die Entscheidung zwischen einem primär macht-, sach-, ziel- und ergebnisorientierten, „transaktionalen“ Verhalten und einem eher emotionalen, team-, beziehungs- und wirkungsorienterten, „transformationalen“ Stil in unterschiedlichen Situationen bedeutet in der Praxis zwar keinen Wechsel der Spieler auf dem Feld, schreibt das Typisierungskonzept jedoch weiter fort. Erfolgreiche Karrierefrauen bzw. Frauenkarrieren sind zahlenmäßig noch immer im Nachteil und werden demgegenüber als „besonders“ wahrgenommen und tituliert. Im  Falle des Scheiterns wird dieser Effekt – im Sinne einer self-fulfilling-prophecy – dann noch verstärkt.

Women matter – „weibliche“ Führung macht den Unterschied

Tatsächlich scheint die Diskussion aktuell weniger hitzig, die Debatte weniger relevant: Dank politischer, sozialer und unternehmerischer Initiativen für Gleichstellung, Integration und Vielfalt ist zumindest eine deutlich größere Sichtbarkeit erreicht: sowohl hinsichtlich der offenen Leer- und Baustellen als auch der erzielten Erfolge und der erfolgreichen Frauen, die der öffentlichen Diskussion ein Gesicht geben und als Vorbild wirken. Für eine moderne, flexible und inspirierende Führungs- und Organisationskultur ist Diversität – nicht nur im Genderaspekt – jedoch die conditio sine qua non. Die „weibliche“ Perspektive ist darin zumindest ein Mehrwert, den es dringend anzustreben gilt. „Women matter“ ist Titel und Ergebnis einer seit 2007 durchgeführten Studie von McKinsey. Höhere Frauenanteile im Management – und zwar mindestens in drei Vorstands- oder vergleichbaren Funktionen – führen demnach nachweislich zu einem größeren ökonomischen Erfolg. Nachhaltiger unternehmerischer Erfolg wird vor allem auf der normativen und emotionalen Ebene gemeinsamer Werte, persönlicher Zuwendung und sinnstiftender Ziele generiert, wie die jährlichen Ermittlung des Engagement-Index durch das Gallup-Institut eindrücklich vor Augen führt.  – Eher „weiblich“, oder? Die Anlageempfehlung eines Schweizer Bankhauses in den „Top Executive Woman Basket“ wirkt deshalb nur konsequent.

Das Können ist gleich, im Wollen und Dürfen liegt der Unterschied

„Mögen täten wir schon wollen – nur dürfen haben wir uns nicht getraut“ – so hat es der verstorbene Komiker Karl Valentin einmal formuliert. Im Falle der Frauenkarrieren verhält es sich so ähnlich: Können tun sie es schon, wollen jedoch ein bisschen weniger, und mit dem dürfen und zutrauen hapert es ebenfalls. Frauen und Männer unterscheiden sich tatsächlich nicht in ihrer theoretisch abrufbaren Führungskompetenz. Doch sie nutzen diese Fähigkeiten unterschiedlich, mit einer schwächeren Aufstiegsmotivation und einer signifikant geringeren Aufstiegskompetenz. Führungserfolg ist eine Frage der Persönlichkeit. Idealerweise sind darin eine hohe Extraversion, emotionale Stabilität sowie Vertrauen in die eigene Kompetenz mit einer hohen Zielorientierung und kommunikativer Kompetenz gepaart. Eine besondere Mischung also, bei der diejenigen im Vorteil sind, die nicht nur über eine klare Vorstellung der gemeinsamen, sondern durchaus auch der eigenen Erfolgsaussichten verfügen. „Presencing Gender“ fordert die Schweizer Professorin Marlies Fröse. „Presencing  new perspectives“ wäre die logische Folge daraus, damit wir in einer immer vielfältigeren, widersprüchlicheren und dynamischeren Welt nicht durch Einäugigkeit verloren gehen.

Anja Ebert-Steinhübel
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