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Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, wann und wie Ihnen Lernen richtig Spaß macht – und gerade deshalb am erfolgreichsten gelingt? Tatsächlich ist der Spaß an der Sache (oder besser ausgedrückt: die positive Motivation) bereits die halbe Miete: In unsere komplexen kognitiven Netzwerke, die für das Behalten, Erinnern und Wieder-Abrufen von Wissen und Erfahrungen zuständig sind, gelangen nur die Informationen und Zusammenhänge, die für uns positiv konnotiert sind, eine wichtige Bedeutsamkeit haben, i.e. irgendwie be-merkenswert erscheinen. Das geht sogar soweit, dass man über die Situation, in der eine neue Erfahrung realisiert wird, wie z.B. ein besonders angenehmes Gespräch oder auch die sonnige Bank im Park etc., kognitive und emotionale Assoziationen immer wieder neu auszulösen vermag und damit „bleibende“ Eindrücke generiert.

Die Lernpsychologie differenziert verschiedene Arten des Lernens, die sich in der Theoriegeschichte zeitlich nacheinander entwickelt haben und in ihrer Komplexität zunehmen: Nach den behavioristischen (Lernen durch Verstärkung versus Bestrafung) und kognitivistischen (Lernen als Leistung des Gehirns) Ansätzen geht man heute – zeitgemäß – von einem sehr stark individualisierten konstruktivistischen (Lernen als aktiver, interessensgesteuerter Prozess) Lernvorgang aus. Quasi überlagert werden die drei theoretischen Varianten von den sozialpsychologischen und -soziologischen Modellen, die auf die Bedeutung der Umgebung und anderer Menschen (als Vorbilder oder abschreckende Beispiele) verweisen. Deren wichtigster Vertreter Albert Bandura sieht die Existenz des „animal sociale“ kognitiv in unserem Mit-Empfinden und Mit-Denken gespiegelt. Nicht nur erwerben wir in der Beobachtung unserer Umgebung und der für uns als positiv oder negativ, fokussiert oder beiläufig betrachteten Anderen neue Erfahrungen und Erkenntnisse (quasi im Passivmodus) automatisch mit. Sondern wir lernen zugleich auf der Metaebene etwas über uns selbst, in dem wir diese sekundären Learnings für uns bewerten, verfügbar machen und uns dazu positionieren (wenn wir dies auch wollen).

Ganz gleich von welchem Standpunkt aus wir es betrachten: Lernen als sozial reflektierter Prozess ist immer wirkmächtiger als die einsame Rezeption von Wissen. Das bedeutet nicht, dass die Lektüre online oder offline verfügbarer Inhalte gar keinen (Lern-)Effekt ergibt, stets aber einer Ergänzung, Spiegelung und Überprüfung (und sei es im Selbstgespräch unter der Dusche) in der weiteren Kommunikation bedarf, um längerfristig be-halten zu werden. In der Personalentwicklung wurde dies vor etwa 40 Jahren in der sogenannten „70-20-10-Formel“ (McCall, Eichinger, Lombardo) zusammengefasst:

„70-20-10-Regel“

 

Selbst wenn die „Faustregel“ nur einen Anhaltspunkt über die Dimensionen der Wirksamkeit darstellt, sind darin die dramatischen Implikationen für klassische „Weiter-“ oder „Fort-Bildungsmaßnahmen“, ganz gleich, ob diese online oder offline vermittelt werden, offenbar: Die Trennung von Wissensvermittlung (als Workshop-, Trainings-, Vorlesungs- oder Seminarformat) und Praxis erscheint am wenigsten erfolgversprechend, bildet aber realiter die Mehrzahl der Angebote ab. Die Umkehrung eines nicht nur auf Transfer, sondern vielmehr auch auf Exploration hin ausgerichteten Lernens (das wiederum einer wie auch immer gearteten formalisierten Reflexion und Kommunikation bedarf, um wirksam und vor allem auch geteilt zu werden), ist demgegenüber ein in der Unternehmens- und Bildungspraxis noch kaum verbreiteter Weg. Das im US-sprachigen Raum populäre Konzept des „Learning Workspace“ (Hart) zeigt, wie es besser gehen kann und wohin wir beispielsweise durch neue Ansätze eines Corporate Learnings, das die Personal- und Organisationsentwicklung strategisch dimensioniert, integriert und damit Lernen am und für den Arbeitsplatz neu zu beschreiben versucht. Noch gibt es einige Hürden zu überwinden, z.B. formale Fragen der Zertifizierung und des Wissenstransfers. Vor allem aber bedarf es eines neuen Mindsets in Führung und Organisation, damit es nicht künftig heißt. Arbeitet der Mitarbeiter xy gerade – oder lernt er nur?

Am ehesten verbreitet, zumal sich hierfür eine Vielzahl sehr unterschiedlicher und effektiver Formate wie Coachings, Mentorings, Labs, Wissenszirkel etc. anbieten, ist das Lernen in bzw. aus sozialer Interaktion. In modernen Unternehmen wird dieser Austausch, insbesondere auch zwischen unterschiedlichen Bereichen, Ebenen und Regionen zunehmend institutionalisiert. WOL-Zirkel sind ein wunderbares Beispiel dafür.

Lernen in und für die Organisation erbringt im Idealfall ein Mehr an Kompetenz und Profitabilität. In der aktuellen Veränderungsintensität wirkt diese neue, weniger strukturierte, individualisierte und weitgehend selbstorganisierte Variante unterstützend – nicht nur im Sinne eines Wissenszuwachses, sondern vor allem in einer geringeren Angst vor dem Neuen und dem möglichen Versagen qua Qualifikation und Motivation.

Wir haben eine Mission: Seit über 30 Jahren träumen wir den Traum eines wirkungsvollen, normativ begründeten, strategisch orientierten und operativ funktionierenden Controllings. Damit meinen wir ein Controlling, dass das gesamte Unternehmen, die gesamte Organisation zur Reflexion und zum Lernen bringt. So passiert kein Erfolg auf Knopfdruck, aber es gelingt zumindest immer besser, das Wissen darüber zu provozieren und zu verbreiten, wo und wie die Wege zum Erfolg am besten zu suchen und zu finden sind. – „Leute, hört auf die Controller!“, bedeutet der eine Teil der Wahrheit. „Controller, redet mit den Leuten!“ ist sein wesentliches Gegenstück. Beides zusammen klingt sehr einfach, ist von der uns täglich begegnenden Realität jedoch noch immer ein ganzes Stück weit entfernt.

Controlling ist – am Ende – immer Kommunikation

Controlling ist eben nicht nur das, was die Controller – und damit sprechen wir im Folgenden auch alle Controllerinnen an – tun, sondern vielmehr das, was in der Aneignung und Anwendung durch andere daraus wird. Diese Wahrheit impliziert einen kompletten Rollenwechsel, verbunden mit einem deutlich größer dimensionierten Verantwortungsbereich als die erweiterten Zuschreibungen vom Fachmann zum Berater, vom Ruderer zum Steuermann oder vom Rationalitätssicherer zum ganzheitlich reflektierenden Change Agent. Wenn also heute – endlich! – darüber diskutiert wird, wie psychologische, kommunikative, emotionale und soziale Aspekte in die Logik des Controlling und die Kompetenzstruktur des Controllers zu integrieren sind (da es schließlich weniger um neutrale Information, sondern um ganz konkrete und individuell zu dosierende Verhaltenssteuerung geht), kommen wir zwar einen kleinen Schritt weiter, aber immer noch nicht zum eigentlichen Ziel. Der aktuell in der Fachpresse verbreitete Denkansatz popularisiert das Controlling in der handelnden Person, berücksichtigt jedoch zu wenig das umgebende System, um das es eigentlich geht. Dies ist tatsächlich dramatisch: Das unsere (Unternehmens-)Zukunft sichernde Controlling hinkt in seiner Selbstreflexion der Wirklichkeit, die es doch proaktiv steuern und mitgestalten soll, mit riesengroßen Schritten hinterher.

Zurück auf Anfang: Nicht die Controller machen das Controlling!

Selbst bei den Gläubigen bringt unser Mantra gelegentlich ungläubiges Staunen oder zumindest Verwirrung hervor. Doch darin liegt der eigentliche Kern einer veränderungswirksamen Idee: Controlling, das mehr ist als eine gelungene Jonglage von Zahlen, Berichten und Szenarien, zielt auf die Verbreitung seiner eigenen Philosophie. Und zwar so weit und so lange, bis es den Controller per se überflüssig macht. Rein beratend bzw. von einer übergeordneten Perspektive oder gar aus dem stillen Kämmerlein (der buchhalterischen Katakomben) heraus kann dies allerdings nicht gelingen. Die Controller müssen sich selbst viel mehr ins Spiel bringen, um andere dazu befähigen, Controlling in ihrem Sinne zu tun. Ihre wichtigsten Sparringspartner dabei sind – noch immer – intelligente Führungskräfte. Diese werden von den selbst bewusster agierenden, aktiv kommunizierenden Controllern nicht von ihren hoheitlichen Aufgaben der Kommunikation und Entscheidungsfindung befreit. Wohl aber erhalten sie im gelungenen Zusammenspiel – auf der Basis effektiver Planungs-, Kontroll- und Informationssysteme – eine ungleich höhere Qualität und Dichte an Verhaltens- und Handlungsoptionen, die es nach Wichtigkeit, Dringlichkeit und Machbarkeit für den Unternehmensprozess bis zum einzelnen Mitarbeiter zu sortieren, zu priorisieren und zu übersetzen gilt. In Zeiten des extremen Wandels zielt das Controlling daher auf eine optimale Innovations- und Entwicklungsqualität – soweit und so gut wie es zur jeweiligen Situation und Verfasstheit der Organisation eben passt.

Psychologie statt Betriebswirtschaft?

Eines ist sicher: Die Zusammenhänge des unternehmerischen Handelns werden nicht einfacher, sondern ganz im Gegenteil zunehmend komplexer, sprunghafter, globaler und vernetzter im Kontext der Entwicklungen einer digitalen Welt. Der rational agierende homo oeconomicus hat längst ausgedient, er braucht zumindest die Unterstützung einer soziologischen und psychologischen Reflexion. Darin – und nicht, weil psychologische Themen gerade en vogue wären – liegt die enorme Herausforderung für das neu zu (er-)findende personale und organisationale Eignungsprofil der überlebenswichtigen Steuerungsfunktion. Da gleichzeitig nicht zu erwarten ist, dass controllingspezifisches Wissen und Expertise künftig von allen, die sich dazu berufen fühlen, einfach zu googeln sind, bleibt die Basisanforderung einer fundierten und ständig aktualisierten Fachqualifikation. Die übergreifende Kompetenz des Einordnens, Vermittelns, also der Interpretation und Kommunikation von Bezügen und Wirkungen kommt als Schlüsselqualifikation dazu. Kommunizieren heißt jedoch Farbe bekennen, Stellung beziehen – und damit den zumindest definitorisch geschützten Bereichs „neutraler“ Information zu transzendieren. Für traditionelle Rollenkonzepte und den üblichen Zuschnitt der Controllingpositionen bedeutet dies eine Revolution.

Ziehen Sie dem Controlling die Hosen an …

Die landläufigen Ansätze, wie Controlling zu funktionieren hat, müssen also vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Darunter kann man die Diskussion um das verhaltens- oder wirkungsorientierte Controlling subsummieren.

… und die Laufschuhe noch dazu!

Doch das „neue“ Denken wird von der aktuellen Wirklichkeit längst überholt. Die Aufgabe des Controllings im Veränderungskontext ist es eben nicht nur, das Spielfeld zu gestalten (statt lediglich zu verwalten), sondern den Ball immer wieder neu ins Spiel zu bringen und damit selbst sichtbar und aktiv zu werden. Strategie und Operation sind dabei untrennbar miteinander verbunden, – nachdem sie zuvor und in einem institutionalisierten Prozess präzise geplant und durchdacht worden sind. Modernes Controlling wird – um im Bild zu bleiben – weder von der Tribüne noch von der Umkleide aus realisiert. Dazu braucht es ein selbst sich veränderndes, also lernfähiges Controlling und eine Organisation, die diese Funktion in ihrem Selbstverständnis als lebenswichtig und immanent begreift. In den alten Strukturen und Prozessen geht dieser Anspruch sofort unter. Verhaltens- und handlungsorientiertes Controlling darf sich nicht hinter einem noch so professionell ausgestalteten Berichtswesen verstecken. Wirkungsorientiertes Controlling muss endlich von der vermeintlichen Fach- zur übergreifenden Querschnittsfunktion in den Unternehmen werden. Lernorientiertes Controlling bedarf einer neuen, anderen, flexibleren und anpassungsfähigeren Organisation.

Das Spiel heißt „VuCaCo“, spielen Sie mit!

Zwar wurde an dieser Stelle schon mehrfach der Hype der Buzzwords angeprangert, zu denen auch das Akronym für die volatile, unsichere, komplexe (engl. complex) und ambivalente Wirklichkeit unseres alltäglichen und professionellen Handelns und Erlebens zählt. Andererseits haben Begriffe auch eine ganz pragmatische Funktion, nämlich zum Be-Greifen, also sensiblen An- und Erfassen des Neuen als erster und unabdingbarer Voraussetzung für Akzeptanz und Veränderungsmotivation. VuCaCo könnte eine Möglichkeit sein, das Controlling subtil und spielerisch, aber dennoch realitätskonform weiter zu entwickeln. Lassen Sie sich den Begriff ruhig auf der Zunge zergehen, – es wird Ihnen gefallen (das hat auch psycholinguistische Gründe, die hier auszuführen zu weit ginge, aber trefflich nachzulesen sind in der aktuellen Ausgabe von Gehirn & Geist 08/16). Und damit ist die Intention auch dieses Beitrags zunächst erfüllt. Erst Aufmerksamkeit generiert den nötigen Spielraum zum Handeln, – das gilt für das Controlling wie für das ganz normale Lebensspiel. Allen hierfür ganz viel Spaß!

In unseren Seminaren und Vorträgen kommt sie seit vielen Jahren immer wieder zum Einsatz: die Geschichte von der Herdplatte. Der primäre Effekt ist Aufmerksamkeit:  wenn die Zuhörer darüber lachen, ihr eigenes Verhalten darin spiegeln und – das ist der zweite Effekt – über ihre Reaktionen nachdenken und scheinbar Selbstverständliches in Frage stellen. Eine positive Gestimmtheit und die Motivation zur Selbstreflexion – im Erzählen der Anekdote steckt ein enormes Lern- und Führungspotenzial!

Um das Lernen zum Angelpunkt der eigenen Unternehmensgeschichte werden zu lassen, braucht es zunächst einmal Mut: Den Mut, eigene Entwicklungsbedarfe zu offenbaren und den Mut, scheinbare Sicherheiten bei den Kunden konsequent in Frage zu stellen. Was unter der Flagge des Change Managements und des Lifelong Learning heute als selbstverständlich – zumindest – postuliert wird, war in der Entstehungsphase unseres Trainings- und Beratungsunternehmens vor etwa 30 Jahren sicherlich noch etwas Ungeheures. Zugleich formierte sich darin eine normative Kultur des Lernens, die als „Konstante des Wandels“ für die Mitarbeiter wie für die Kunden bis heute gleichermaßen Halt und Perspektive gewährt.

Learning Leadership

Doch was macht nun aus einer innovativen Lern- zugleich eine nachhaltige Erfolgsgeschichte? Dazu bedarf es zum einen einer (unternehmerischen) Vision und zum zweiten einer Führung, die Lernmotivation vorlebt, Lernengagement fordert und Lernerfolge auf die definierten (Unternehmens-) Ziele hin integriert und kommuniziert. Learning Leaders sind die Personen oder Organisationen, die alle drei Orientierungen in sich vereinen und ihr Handeln konsequent daran ausrichten.

Learning Leadership

Sowohl die eigene Unternehmensentwicklung als auch die Beratungs- und Trainingseffekte sind in hohem Maße von der Qualität der Learning Leaders abhängig: Führungskräfte, die das Creative Learning nicht beherrschen und durch ihr eigenes Verhalten mangelnde Offenheit gegenüber Neuem und Interesse an persönlicher Weiterentwicklung zeigen, torpedieren jeglichen Veränderungsprozess. Führungskräfte, die das Initiative Learning vernachlässigen, um ihre Mitarbeiter entsprechend ihrer Talente zu fördern und zu fordern, werden nur teilweise Nutzen aus effektivitätssteigernden Maßnahmen und Systemen ziehen. Und Führungskräfte, die das Strategic Learning nicht kennen, werden mittelfristig die Erfolge der gesamten Organisation verspielen. Umgekehrt ermöglichen das bewusste Anwenden und der Wechsel der Perspektiven ungeahnte Möglichkeiten. So entwickelt der Vorstandsvorsitzende im gemeinsamen Workshop mit der Empfangschefin neue Ideen der Kundengewinnung oder erkennt der Vertriebsleiter im Austausch mit dem Kollegen von der Fertigung überraschende Lösungen für seinen Prozess.

Die „Geschichte von der Herdplatte“

Werterhaltende Führung basiert auf dem Gedanken der Nachhaltigkeit. Wertorientierte Führung entsteht darüber hinaus in der Abwägung ökologischer, ökonomischer und sozialer Entwicklungspotenziale mit der vorhandenen organisatorischen und persönlichen Substanz. Wertvolle Führung schließlich impliziert Sinnstiftung durch Lernen, da im Führungsprozess eine neue Qualität des individuellen oder unternehmerischen Handelns entsteht.

Miteinander und voneinander zu lernen setzt eine Kultur der Offenheit voraus, die Fehler nicht vermeidet, sondern im Gegenteil bewusst erlaubt. Denn Irrtümer bieten die Chance, aus Erfahrungen zu lernen, neues Wissen zu erproben und der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. So schließt sich in der Geschichte von der Herdplatte der Kreis:

Wer einmal als Kind auf eine heiße Herdplatte gefasst hat, hat schnell den Zusammenhang von Hitze und Tastsensibilität der Haut erkannt und als Verhaltensregel verinnerlicht, dass Berührungen besser zu unterlassen sind, solange Feuerstellen o.ä. erkennbar aktiv sind. Das abermalige Prüfen dieser Regel kann wohlmeinend als besonders absicherndes Verhalten gewertet werden (diese Kinder werden in der Regel später Techniker oder Grundlagenforscher). Wenn jedoch trotz erfahrbarer Negativreaktionen die Tests weitergehen, kann dies nicht mehr als Fehler oder Irrtum, sondern nur noch als Dummheit beschrieben werden, und es müssen dauerhafte Schäden schnellstens vermieden werden.

Learning Leaders scheuen keine brennenden Herausforderungen, – ganz im Gegenteil. Aber sie verteilen die Schlangen der Versuchswilligen auf unterschiedliche Themen und Orte, stellen positive und negative (Lern-) Erfahrungen zur Diskussion und verfolgen konsequent die Strategie einer substanziell und ideell wertvollen Organisation.

Was kommt Ihnen beim Thema betriebliche Aus- und Weiterbildung in den Sinn? Kataloge im Hochglanzformat? Die jährliche Zielvereinbarung? Wochenendseminare im Grünen, gefolgt von einem vollen Schreibtisch zurück im Büro? Ganz gleich wie innovativ und interessant die Angebote gestaltet sind, in der Regel finden sie immer noch vorwiegend inputorientiert, standardisiert, ergänzend und abgekoppelt vom jeweiligen beruflichen Alltags statt.

Weiterbildung kommt regelmäßig zu spät

Eine vornehmlich als Korrektur oder Anpassung post hoc verstandene Bildung kommt für die Zukunft der neuen Arbeitswelt zu spät. Zwar rühmen sich die aktuellen Statistiken über das Weiterbildungsvorkommen der deutschen Unternehmen einer nicht nur quantitativen, sondern durchaus auch qualitativen Zunahme in Richtung Workplace Learning, das sowohl informelle als auch virtuelle und indiduell gestaltete Lerneinheiten integriert. Das Dilemma liegt jedoch in der Perspektive: Für eine kontinuierlich mit Unsicherheit, Veränderung und Komplexitätserhöhung konfrontierte Wirklichkeit muss Bildung als individueller und organisationaler Lernprozess die Regel sein – und nicht die Ausnahme, als „Eingriff“ in die Normalität, wie es die übliche Organisation und das Sprachgebaren der Bildungs„instrumente“ und „-maßnahmen“ verrät.

(Organisations-)Bildung vorausdenken

Diese lebenslange, institutionenübergreifende Bildung in der Version 2.0 (von 4.0 zu sprechen, hieße einige Entwicklungsschritte auszulassen) bringt neue, offenere und übergreifendere Inhalte mit neuen, flexibleren, digitalen und analogen Formaten zusammen. Sie beantwortet und fördert ein neues, aktiveres Nachfrageverhalten und eine höhere Eigenmotivation der Lernenden, bedarf neuer didaktischer und persönlicher Kompetenzen für Ausbildung und Organisation und führt zu einem neuen, wechselseitig sich beeinflussenden Rollenverhältnis der Akteure im Bildungsprozess. Bildung 2.0 ist Treiber und Schmierstoff einer agilen Organisation, die sich intern und extern auf die digitale Transformation einzustellen weiß.

Personalentwicklung ist tot – es lebe die Personalentwicklung!

Das organisierte Eigenleben vieler Personalentwicklungen kommt damit zu einem abrupten Ende. Was lange schon gefordert, in der Realität aber nur selten konsequent Einzug gehalten hat – das Zusammendenken und Zusammenwirken der POE – wird zur ultima ratio. Strukturell und vor allem auch kulturell gelingt dies nur im – ebenfalls längst fälligen – Aufstieg der HR in den strategischen Olymp. Von dort aus kommen Impulse und Steuerung des Lernens der gesamten Organisation, das in den individuellen Bildungsprozessen immer wieder neu formiert und inspiriert wird. Nicht nur die einzelnen Programme sind also einer „Verjüngungskur“ zu unterziehen, sondern auch die Akteure selbst stehen im Fokus einer neu orientierten Form des Lernens in und für die Organisation. Eigenaktivität und Netzwerkbildung, Nachhaltigkeit und der Blick über den Tellerrand des eigenen Handlungsfelds hinaus sind wesentliche Marker eines Bildungsverhaltens, das es bei Anbietern und (bisherigen) „Empfängern“, Ausbildern, Führungskräften und Organisatoren zu erproben und aufeinander abzustimmen gilt. Das bedeutet einen Bewusstseinswandel auf allen Seiten und einen wesentlich umfassenderen, kooperativ zu gestaltenden Wirkungsbereich der HR-Verantwortlichen als bisher.

Die drei „i“ des neuen Bildungsmodells

So komplex und offen die Unternehmensprozesse heute vielfach scheinen, so sind sie doch im Kern vor allem durch drei wesentliche Neuerungen orientiert: Individualisierung, Interaktivität und Integration bilden den gemeinsamen Kern der globalen, technologischen, ökonomischen und sozialen Zukunftstrends. Digitalisierung ist in diesem Zusammenhang gedankliche Folie und hilfreiche Technologie zugleich: Zur Bewältigung der Veränderungsqualität einer digitalen Arbeits- und Lebenswelt reichen traditionelle Medien und Lernsettings nicht mehr aus. Die Bereitstellung individualisierter und interaktiver, zeit- und ortsunbahängiger Formate machen eine für den Einzelnen in seiner spezifischen Lern- und Arbeitssituation passende Qualifizierung quasi auf Knopfdruck möglich. Der Schlüssel für den Erfolg liegt jedoch in der Integration – mit bestehenden Inhalten, Erfahrungen, Begegnungen und Herausforderungen in der analogen Welt. Diese Mammutaufgabe allein auf die Schultern der Personaler abzuwälzen, wäre grob fahrlässig. Deren Job ist die Feinjustierung und die immer wieder neu herzustellende Balance der Aktivitäten auf die gemeinsamen Ziele und (ökonomischen) Möglichkeiten hin. Sinn mal Verantwortung, Netzwerk mal Kompetenz, individuell mal ganzheitlich,… tief mal breit – Holacracy lässt grüßen – könnten diese neuen Dimensionen der Bildungsarbeit in der Organisation sein.

Ist das überhaupt noch „Change“, was wir gerade an tiefgreifenden und weit reichenden Veränderungen in allen Lebens- und Arbeitsbereichen erleben? Vor allem aber: helfen die uns bekannten Konzepte und Methoden für die weitgehend unbekannten Dimensionen des „New Normal“ unserer Zeit? Die Antwort darauf ist zweimal „ja“ – allerdings unter der Prämisse, die Ideen lebendig zu erhalten und situativ so anzupassen, dass die Veränderungsenergie auch wirklich fließen kann.

Raus aus dem Eisfach!

Gemäß dem Klassiker der Organisationsforschung Kurt Lewin mündet jeder Veränderungsprozess nach der Auftau- und Bewegungs- in die Verstetigungsphase („Refreeze“). Damit ist nach dem Wirbel des eigentlichen Changes wieder Systemstabilität als „natürlicher“ Ruhepol und Wunschzustand erreicht. Für diese Idee haben Lewin und in der Folge zahlreiche weitere Autoren und Konzepte reichlich Kritik eingefahren. In der modernen Ära des „Dauer-Changes“ ist ein solcher Gedanke per se obsolet. Dabei fallen Kritiker wie Apologeten in die Falle ihres eigenen Vorurteils: Wenn Veränderung die Regel ist, sind Ausgleich, Innehalten und Gegenbewegung nicht die Ausnahme, sondern die Wegmarker einer Entwicklung, die durch unterschiedliche Dynamiken kritische Reflexion und Lernen eben erst ermöglichen kann. Trotzdem: die gerne unter dem Begriff der „Nachhaltigkeit“ oder „Zukunftsorientierung“ qualitativ dimensionierte Verstetigung von Veränderungsprozessen ist selbst eine lebendige Phase, die nicht schockgefrostet, sondern vielmehr ins Leben getragen, sichtbar gemacht und immer weiter entwickelt werden muss.

Das Engagement ausweiten

„Refreeze“ heute beinhaltet daher weniger die sichere Verortung eines eindeutigen Konstrukts, sondern vielmehr das Anerkennen und Transparentmachen der darin offenbarten Verschiedenheit. Je komplexer die Change-Prozesse sind, desto eher sind ihre Ergebnisse ein Akt der Konsensfindung, Formulierung von Gemeinsamkeiten und Beschreibung unterschiedlicher Wege auf die neuen, zukunftsorientierten Perspektiven hin. Das heißt übersetzt: Nicht alles, was neu ist, muss auch beibehalten werden. Nicht alles, was theoretisch machbar ist, macht für alle auch Sinn. Die im „Move“ angesprochene Befähigung und Partizipation erweist sich in dieser Phase als funktionales demokratisches Prinzip. Die Prozessverantwortung kann und muss auf mündige Mitarbeiter, Teammitglieder, Bürger etc. übertragen werden. Die geforderte Nachhaltigkeit vieler Organisationskonzepte rutscht damit vom Papier direkt in die Praxis, i.e. an den Arbeitsplatz, in den Alltag, in die konkrete Anwendung. Die Aufgabe der Führung ist damit nicht vorbei, sie ändert sich jedoch maßgeblich. Denn die aus dem Transfer wiederum generierten Ideen und Initiativen müssen in die Prozesse re-integriert und vor allem auf die Strategie – als Ausgangs- und Reflexionspunkt des Changes – zurück bezogen werden, um den gemeinsamen Weg des Lernens auf der nächsten Erkenntnisstufe ein Stückchen weiter zu gehen. Die never-ending Story „Change“ wird damit nicht zur Dauerschleife, führt aber zu losen Enden und neuen Öffnungen im System, die wichtig für den Fortschritt und das Lernen sind, aber auch immer wieder im Sinnes des (persönlichen und organisationalen) Gleichgewichts ausbalanciert, d.h. wertgeschätzt und eingeordnet werden müssen.

Aufmerksamkeit fokussieren – und atmen lassen

Stabilisierung, Orientierung und Integration im modernen Kontext einer sich immer schneller verändernden und mit Sprüngen, Brüchen und Ambivalenzen behafteten Realität bedeuten daher kein Ende der Entwicklung, wohl aber eines falsch verstandenen Change-Managements. Das Grundlegende wird bleiben: die Tendenz nämlich, auf ein Mehr an Geschwindigkeit und Unübersichtlichkeit mit einem höheren Bedürfnis nach Ruhe, Orientierung und Klarheit zu antworten. Das komplementäre Urprinzip stattet uns nicht nur psycho-, sondern auch handlungslogisch mit dem richtigen Maß und Mittel aus, Realität nicht nur aushalten, sondern auch adäquat gestalten zu können.

Die neue Form der (Change-)Resilienz

Neu zu definieren und zu erlernen sind unter dem Druck der Veränderungsintensität jedoch die Führungsrollen und die Kompetenzen aller Beteiligten im Umgang mit der im digitalen Zeitalter überall gleichzeitig virtuell und real neben- und miteinander stattfindenden Kommunikation. Als Katalysator und wesentliches Charakteristikum öffentlicher wie privater Interaktionen und Transaktionen bringt die Digitalisierung über das rein Technische hinaus eine neue Qualität der Information und der – zumindest potentiell – grenz- und systemübergreifenden Partizipation. Mit dem Verlust hierarchisch gebundener Wissensmonopole geht auch der damit verbundene Steuerungsanspruch ein Stück weit zurück. Auch damit müssen sich Führungskräfte auseinandersetzen, wenn sie in Veränderungsprozessen erfolgreich agieren wollen: Nicht das Wissen, sondern das Nichtwissen; nicht die Eindeutigkeit, sondern die Ambivalenz; nicht die Sicherheit, sondern das Mögliche sind als Prämissen gesetzt für einen Führungsprozess, in dem Aushandlung und Integration (auf der Basis von Befähigung und Motivation) in Zukunft eine wesentlich größere Rolle spielen werden als jemals zuvor. In diesem Kontext Perspektiven zu erkennen, Commitment herzustellen und Komplexität soweit zu reduzieren, dass nicht Blindheit, sondern gemeinsamer Sinn und Handlungsfähigkeit entstehen, ist die große Herausforderung für das Leadership im Change. Change initiieren, aushalten und vermitteln zu können, die neue Form einer (Change-)Resilienz. Manager haben hier schon verloren. Reflektierte und empathische Persönlichkeiten mit Change-Appeal sind gefragt!

Communicate the Move

Lernen ist zumindest psychologisch gesehen immer einer Bereicherung: Denn es bedeutet per definitionem die Aufnahme und Verarbeitung eigener oder fremder Erfahrungen, um daraus neue Verhaltensoptionen zu generieren. Lernen macht uns also ganz praktisch „schlauer“ im Umgang mit der Welt, – und dennoch sind Lernen und Veränderung für die meisten weniger mit Freude und eher mit Aufwand oder gar Ablehnung verbunden. Damit Lernen erfolgreich gelingt – die Inhalte also auch längerfristig zur Verfügung stehen als bis zum nächsten Prüfungstermin – sind jedoch Emotion und Motivation die conditio sine qua non. So altbekannt dieser Mechanismus ist, so selten wird er konsequenterweise didaktisch und führungstechnisch genutzt. Von der schulischen über die betriebliche bis zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung jedoch gilt, dass Veränderungen von Wissen, Einstellungen und Verhalten stets psychologisch fundiert und verankert sein müssen. Rein rationale Bezüge, autoritärer Wandel, verordnete Changeprozesse funktionieren, zumindest auf Dauer gesehen, nicht.

Change-Formel

Nach dem Lewin´schen Modell typischer Entwicklungsverläufe sozialer Gruppen und Systeme ist das Lernen die eigentliche Phase der Veränderung. Hier findet geistige und emotionale Auseinandersetzung, Bewegung („Move“) statt hin zu dem Neuen, Unbekannten, das es für den Einzelnen oder die Gruppe zu begreifen, zu akzeptieren, zu verstehen gilt. Diese Aktivität findet erst dann statt, wenn es zuvor gelungen ist, die Bereitschaft für diesen Prozess weitgehend zu wecken, die bisherigen Muster des Denkens und Verhaltens soweit „aufzutauen“, dass Raum für neue Inspiration gegeben ist. Auf den Punkt gebracht, setzt erfolgreicher Change immer ein Produkt aus vorhandenem oder erzeugtem Wollen (Bereitschaft) und vorhandenem oder vermitteltem Können (Fähigkeit) voraus, basierend auf einer möglichst unterstützenden Kultur, die Veränderung erlaubt, trägt und will (Ressourcen).

Change-Formel_Blog Ungedachtes denkbar machen_Juli 2016
Ohne Bereitschaft findet keine Veränderung statt. Ohne Ressourcen erfolgt die Veränderung nur unzureichend. Diese können materieller oder immaterieller Natur sein, beispielsweise begleitende didaktische Materialien, aber auch Zeit und Zuwendung durch Lehrer, Mentoren oder Führungskräfte. Alles zusammen generiert die individuelle oder soziale Change-Kompetenz, die sich in einer spezifischen kulturellen Qualität der Offenheit und Beförderung von Innovation, Diversität und Individualität spiegelt und multipliziert.

Freiraum für den Change-Prozess

Move = Bewegung bedeutet das Lebenselixier von Veränderung. So banal dies erscheint, so sehr wird dies selbst in scheinbar professionell gemanagten Prozessen übersehen. Viel zu oft werden der mögliche Schwung und die ansteckende Kraft einer aufkeimenden Bewegung unter der Ägide enger Zielführung und falscher Koordination im Keim erstickt, um recht(?)zeitig in das Korsett der „richtigen“ Richtung gezwängt zu werden. Move impliziert Freiraum und Freiheit und bedarf führungslogisch des Geschickes, neue Muster des Verhaltens zuzulassen, zu erproben und einzuüben, um daraus schließlich ein neues kollektives Modell zu generieren. Eine der schönsten, wenn auch nicht ganz eindeutigen Definitionen des Führungsbegriffs bringt dies zum Ausdruck: Führung heißt die „Zufuhr wohldosierter Bewegung“. Das erfordert ein Höchstmaß an Psycho-Logik, Fingerspitzengefühl und Vertrauen in die Selbstentwicklungsfähigkeit des jeweiligen Systems.

Kommunikation ist (wieder mal) alles!?

Mangelnde Führung und unzureichende Kommunikation gelten als die wesentlichen Gründe des Scheiterns im Veränderungsprozess. Für den Umkehrschluss allerdings gilt: (Nur) Viel hilft nicht zwingend auch viel. Vielmehr geht es um die Balance, um die eben beschriebene Wohldosiertheit des Prozesses. Change-Kompetenz einer Organisation oder Führungskraft beinhaltet deshalb die Fähigkeit, den Blick auf das Ganze und den Blick auf den Einzelnen richten zu können und zwischen diesen beiden Perspektiven immer wieder zu wechseln, – je nach diagnostiziertem Entwicklungs- oder Konfliktstadium der Person, des Teams oder des gesamten Prozesses. Change-Situationen sind niemals Standardsituationen und können nicht durch standardisierte Verfahrens- und Verhaltensweisen begegnet werden. Changeprozesse führen den Einzelnen und soziale Gruppen durch ein Achterbahn-Erlebnis zwischen Schock, Abwehr, Einsicht, Akzeptanz, Ausprobieren, Erkenntnis und Integration. So beschrieb Edgar Schein die potentiellen Reaktionen im Zeitverlauf auf die individuell unterschiedlich bewertete und erlebte Autonomie oder Hilflosigkeit im Veränderungskontext. Change braucht sehr viel Führung und Kommunikation. Allerdings in einer höchst differenzierten Version, um zu informieren, zu legitimieren, zu motivieren, zu befähigen, zu moderieren, zu partizipieren, zu integrieren – je nach Befund.

Alles wird besser!?

Positive Entwicklung entsteht nach Lewin in der harten Auseinandersetzung zwischen dem Verlangen nach Stabilität und dass alles so bleiben soll, wie es ist, und dem entgegengesetzten Drang nach Neuem, nach Veränderung. Idealerweise führt dies zu einer insgesamt höheren Performanz des Systems. Führung im Change heißt also, diese individuelle und soziale Balance zwischen erlebter Unsicherheit, erforderlicher Offenheit und gebotener Effizienz zur Zielerreichung immer wieder neu herzustellen und zu unterstützen. Führung ist ein Kommunikationsprozess. Führung im Change ist die höchste Stufe davon und erfordert ein hohes Maß an persönlicher Leidenschaft, Lernwilligkeit und strategischer Exzellenz.

digital

Warten Sie noch, oder sind Sie schon mitten drin? The turn is already on: die schöne, neue Welt der digitalen Kommunikation, der Permanent-Modus, für den manche gar keinen Knopf zum Abschalten mehr entecken. Im fließenden Übergang zwischen realen und virtuellen Gegenständen, Räumen und Applikationen interagieren wir ganz selbstverständlich zeit- und grenzübergreifend mit- und übereinander und erleben damit ganz nebenbei eine neuen Sprung in der Zeitrechnung unserer sozialen Kommunikation. Das Digitale dreht und verändert alles, und scheint doch gleichzeitig schon ganz normal.

Digitalisierung ist ein Megatrend, digitale Themen sind gerade en vogue. Keine politische, wirtschaftliche oder kulturelle Veranstaltung kommt an dem Begriff vorbei, keine strategische Überlegung darf darüber hinweg. Die Gruppe der digital thinkers und actors präsentiert sich jedoch sehr uneinheitlich. Neben den eher technologisch orientierten Fans der Economy 4.0 stehen die Hipster der Thinktanks, New Work u.a. Initiatitven und die Auguren des fundamentalen Wandels neben den kritischen Warnern und Reglern des Systems. Was alle gerne übersehen ist: der turn ist unumkehrbar, für eine Entscheidung für oder gegen Digitalisierung ist es längst zu spät.

 

Die Digitalisierung als Treiber der Veränderung

Wie also gelingt es, den turn in die richtige Richtung zu treiben, in welcher Weise ihn zu nutzen, um die Probleme und Herausforderungen unserer nationalen und globalen Gesellschaft besser lösen zu können? Digitalisierung ist Agent und Ergebnis des Wandels zugleich. Um smarte Lösungen zu produzieren, sind daher zugleich smarte, d.h. intelligente und über den Tellerrand hinausblickende Gestalter dieses Treibens gefragt. Being digital ist jedoch kein Selbstzweck, sondern neues Spielfeld und Medium, das verantwortungsbewussten und selbstbestimmt genutzt werden muss – von der Erziehung bis zur Gesundheit, von der Technik bis zur Politik. Der digital turn mutiert zur Helix, zur Veränderungsspirale, die uns alle tangiert und inspiriert oder aber zurückbleiben lässt, wenn wir die Geschwindigkeit und Intensität nicht aufzunehmen wissen, verlautete kürzlich im Rahmen einer prominent besetzten Podiumsdiskussion auf der gleich benannten Themenwoche in Berlin. Einige wunderbare Beispiele, wie dies in Strategien der Differenzierung, Vielfalt und Kooperation münden kann, gab es auch: Neben MOOCs für Menschen ohne klassische Zugangschancen oder der – einer Guerillataktik nicht unähnliche – Initiierung organisatorischer und institutioneller Veränderungen durch extraterritoriale Aktions- und Innovationsräume stand neben der Forderung einer frühen Grundversorgung unserer Erziehungssysteme mit digitaler Infrastruktur das Bild des an der Schiefertafel dozierenden Mathematikprofessors als lebenswertes Gegenmodell im Raum.

Nachhaltig und sinnvoll sind die neuen entgrenzten Daten-, Informations-, Wissens- und Orientierungsräume nur dann, wenn in ihnen unterschiedliche Dynamiken gleichzeitig (gerade dies ist die Neuerung) und gleichranging auch möglich sind. Sonst wird die Chance zum Verstehen verschleiert, die Möglichkeit zur Gestaltung verwehrt. Digitalisierung schließt das Analoge immer zugleich mit ein, wirkt niemals eindimensional, sondern wird im besten Fall als integrierender und immer auch differenzierender Faktor zur Entwicklung zukunftsfähiger Modelle unseres Zusammenlebens und –arbeitens genutzt.

The digital turn is disruptive, formative and always challenging – make it turn the right way!

Corporate Learning

Die Idee der lernenden Organisation ist bereits ein Viertel Jahrhundert alt oder – je nach Zählung – auch schon im Rentenalter angekommen, vielfach gewürdigt, generell akzeptiert und doch im Grunde nie wirklich realisiert. Viel lieber wird das Corporate Learning in kleinteilige (Change-)Managementprogramme verpackt, deren Projektziele jedoch keine dauerhafte Dynamik befördern können. Aktuell verzeichnen wir eine Art Renaissance der „weicheren“, evolutionären Entwicklungsformate, denen jedoch stets ein grundlegender Schönheitsfehler innewohnt: das Lernen der Organisation wird strukturell und prozessual definiert, ohne jedoch die komplexen und heterogenen individuellen Lernprozesse – nicht als Anpassungsmaßnahme, sondern vielmehr als permanenten Impetus zur Veränderung – darin maßgeblich zu verankern und zu positionieren. Tatsächlich leisten sich viele „moderne“ Organisationen einen extrem unmodernen Umgang mit dem Wissen und den Erfahrungen ihrer Mitglieder. Während intern die Zeichen längst auf ständige Veränderung, Vernetzung und Integration stehen, bleiben die Aus-und Weiterbildungsaktivitäten räumlich, zeitlich und programmatisch noch außen vor.

 

„I learn – we grow“

Ein Bewusstseins- und Kulturwandel ist also erforderlich, wenn über die Idee der lernenden Organisation das Unternehmen selbst zum Lernort werden soll. So theoretisch das klingt, so plausibel scheint es in der Realität. Adidas macht es mit seiner Corporate Academy gerade vor: Nach dem Motto „I learn – we grow“ heben sich die Grenzen zwischen individuellem und strukturellem Lernen auf, stehen nicht statische Programme und individuelle Maßnahmen im Fokus, sondern ein ständiges Lernen mit- und füreinander in einer Selbstorganisation und Zusammenarbeit gleichermaßen inspirierenden und fördernden Lernkultur: „an environment in which all employees equally teach and learn, and acquire knowledge and skills in a variety of ways to best suit present and future generations“ (www.blog.adidas-group.com, 5/2012).

 

Corporate Learning braucht Kollaboration

Der Schlüssel liegt in einem altbekannten, häufig kolportierten und immer wieder in Frage gestellten Konzept, der sogenannten „70-20-10-Regel“ (anschaulich dargestellt beispielsweise im Video von Charles Jennings). Danach erlernen wir unser berufliches Wissen zu 70 % durch konkrete Erfahrungen, Anwendungen und Unterstützung im Arbeitsprozess selbst, zu 20 % durch Kommunikation und Beratung mit anderen Menschen, als Kollege, Coach, Netzwerkkontakt etc.. Lediglich 10% der Lerneffekte entsteht durch formale Angebote wie Trainings, Seminare oder Schulungen, d.h. die klassische Form, wie Weiterbildung üblicherweise im organisatorischen Kontext realisiert und wird. Aus dieser Faustregel – ob sie nun tatsächlich einer empirischen und theoretischen Prüfung stand hält oder nicht – hat Adidas seine wesentlichen Prinzipien für die Corporate University abgeleitet.

 

Working is learning and learning is working

Arbeit wird zum dauerhaften Lernprozess, während das Lernen nicht mehr neben- oder untergeordnet als wirkungsvolle und bezahlte Tätigkeit definiert werden muss. Selbstlernen und Innovation sind begründeter Anspruch an alle Mitarbeiter, dabei gehen Führungskräfte als selbst aktiv Lernende, Lehrende und Wissen Teilende voraus. Die soziale Kultur eines selbst gesteuerten lebenslangen Lernens ist dabei Voraussetzung und Ergebnis des Lernens zugleich.

 

Lernen als Entwicklungsprozess

Das selbst organisierte, informelle Lernen ist ein Konzept, das bereits in den 1960er Jahren verbreitet war. Ergänzt durch die neuen Formen des flipped oder social learnings wird dieses in einen virtuellen oder realen Kontext des gemeinsamen Wissenserwerbs gestellt. Diesen hat Adidas bereits vor Gründung seiner Academy genutzt: In einem „Blog Carnival“ wurden Ideen über eine wahrhaft lernende Organisation, die Vision einer zukunftsfähigen Corporate University und den Herausforderungen für ein erfolgreiches Corporate Learning als Open Innovation-Prozess generiert und schließlich mittels kreativer und strategischer Techniken zu einem Konzept aggregiert, das seit einem Jahr nun erfolgreich in die Praxis umgesetzt ist.
Bedeutet dies nun, dass alle klassischen Trainingsangebote für Unternehmen, Mitarbeiter und Führungskräfte plötzlich obsolet sind? Sicher nicht, und auch Adidas nutzt durchaus definierte Karrierepfade und modulare Aus- und Weiterbildungsaktivitäten. Allerdings wird der Blick – über die klassische Transferleistung hinaus – nachdrücklicher auf die aktuelle Organisationsrealität gelenkt und die Herausforderung erhöht, Lehr- und Lernangebote noch spezifischer zu gestalten, didaktische und kommunikative Möglichkeiten noch stärker zu nutzen und unterschiedliche Formen des virtuellen und sozialen, formalen und informellen Lernens flexibel zu integrieren. Lernen ist ein Veränderungsprozess, der nicht nur die Erfahrungen des Einzelnen, sondern die Möglichkeiten der gesamten Organisation tangiert. Damit dies gelingt, muss ein Kulturwandel stattfinden, der Lernen „einfach mal so“ schlicht erst ermöglicht und erlaubt.

 

Entscheidungsprinzipien

Egoistische (Spieler-)Naturen – ob im Fußball, Black Jack oder dem ganz normalen Leben, ticken, so meint man, doch immer gleich: Sie wollen das Spiel für sich entscheiden, den Punkt für sich holen, das Ergebnis auf die eigene Person beziehen. Falsch gedacht: So wie stark leistungsorientierte Menschen den Maßstab an sich selbst weniger in extrem schwierigen oder einfachen Situationen legen, sondern vielmehr im (Mittel-)Feld der größten Konkurrenz, so liegt auch der Anspruch egoistischer und von sich selbst überzeugter Spieler auf dem Fußballfeld weniger darin, möglichst viele Tore zu erzielen, – was als selbstverständlich und damit eher uninteressant vorausgesetzt wird. Ganz im Gegenteil suchen diese Typen eher den Kitzel durch unerwartete und komplexere Spielkonstellationen. Aus Toren, die nach Pässen zu Mitspielern erzielt werden, resultieren daher deutlich stärkere Belohnungsgefühle und positive Lernaktivitäten.

 

Entscheidungsprinzipien – Eine Frage der Anreize?

Welche Situationen belohnender und damit reizvoller für den einzelnen Spieler sind – also der direkte eigene Angriff oder der erfolgversprechende Pass zum Teamkollegen – und inwieweit dieses Verhalten sich auf andere Entscheidungskontexte übertragen lässt, haben Forscher vom Center for Economics and Neuroscience (CENs) der Universität Bonn mit ihren Kollegen vom Uniklinikum Bonn und dem Life&Brain Zentrum herausgefunden und im Fachjournal „PLOS ONE“ publiziert (http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0122798).

Die Ergebnisse sind eindrucksvoll: Lernen und Reflexion wirken gleichermaßen als Lustgewinn des Gehirns und – dies wurde durch ein Vergleichsexperiment bestätigt – wir ticken in höchst unterschiedlichen Situationen in Bezug auf unsere Entscheidungslogik grundsätzlich gleich. Dabei sind die Belohnungserwartungen gar nicht ausschließlich auf den für die eigene Person zu beanspruchenden Gewinn fokussiert, sondern vielmehr auf die Qualität der jeweiligen Handlungs- bzw. Entscheidungssituation. Eine zu erwartende Belohnung aktiviert, das zeigt die Visualisierung mittels Magnetresonanztomografie, bestimmte neuronale Regionen wie das sogenannte ventrale Striatum). Ob wir dabei Fußball spielen, beim Poker eine Glücksträhne erwischen, einen neuen Kunden erfolgreich akquiriert haben oder eine Prämie für unsere Leistungen erhalten, ist unserem Gehirn dabei schlicht egal.

Unternehmerische Anreize zu setzen, wird damit nicht grundsätzlich falsch. Es wird aber – wieder einmal – deutlicher, dass diese nur dann motivieren, wenn eine selbst reflektierte Verantwortlichkeit und Entscheidungsfähigkeit in einem als bedeutsam und sinnvoll erlebten Kontext damit verbunden sind. Und für die Fußballer unter uns bedeutet dies – das muss von einem Nicht-Fußballfan hiermit neidlos anerkannt werden – wohl auch eine Bestätigung der immer wieder beschworenen besonderen Intelligenz ihres Spiels.

 

Learning Leadership

Learning Leadership: Können Menschen Führung lernen? Die Frage wurde lange mit einem „ja (schon), aber…“ beantwortet. Damit konnten einerseits die vielen Autoren, Trainer und Coaches aus dem wissenschaftlichen und praxisnahen Umfeld aufatmen und (zumindest) die klassischen Managementthemen und –instrumente auf ihre Agenda setzen sowie das breite Feld der Mitarbeiterführung durch Motivations- und Kommunikationstheorien und –praktiken erleuchten. Der genannte Rest an Vagheit jedoch blieb: eben das sogenannte „besondere Etwas“ einer idealen Führungskraft, das Charisma erfolgreicher Persönlichkeiten, die harten Entscheider ebenso wie die „Menschenfischer“, deren Durchsetzungsfähigkeit und Weitblick eine Art Grundvertrauen entgegengebracht wird, um in ihrem spezifischen Modus anderen durch das Leben (das Unternehmen, den Markt, das Land…) voran bzw. voraus zu gehen.

Dieses „Plus“, so bestätigen viele Teilnehmer in unseren Seminaren und Beratungen, ist in der Regel zwar schwer zu beschreiben, zugleich aber für andere auch nachvollziehbar und „einfach da“. Dem zu widersprechen fällt schwer, denn das eigenen Nachdenken zeigt vor dem geistigen Auge tatsächlich den einen oder anderen Fall eines besonderen Führungstalents, – ob mit oder ohne spezifische Qualifikation ist jedoch nicht ersichtlich und bekannt.

Qualität von Führung

Bei näherem Hinschauen wird zumindest klar, in welchen Koordinaten dieser diffuse Mehrwert zu verorten ist: als eine spezifische Qualität von Macht, Empathie und Inspiration. Für die persönliche Reflexion und ein selbst bewusstes Agieren und sich Positionieren in diesem Spannungsfeld stellt der klassische Handwerkskoffer der Führungslehre tatsächlich keine vorgefertigten Instrumentarien bereit. Führung, das wird hier deutlich, zielt als organisationaler Lernprozess auf die effektive Veränderung von Organisationen durch eine bessere Koordination und Befähigung der Menschen. Dazu braucht es Führungskompetenz im Sinne eines geprüften Wissens und erlernten Könnens operativer, strategischer und normativer Regeln und Verfahren: ERFOLGREICHE Führung heißt, dass die Anwendung dieser Interventionen im Sinne realisierter Ergebnisse vor allem zahlenmäßig gelingt. GUTE Führung schließt dabei die Wertschätzung und Kommunikation mit den Mitarbeitern sowie allen für die Organisation relevanten internen oder externen Stakeholdern mit ein. SINNSTIFTENDE Führung schließlich offenbart das besondere Plus, wenn die Führungskräfte selbst sich als Lernende begreifen und damit das gesamte System zu sozialen und wirtschaftlichen Höchstleistungen befähigen.

Learning Leadership

Learning Leadership zielt auf eben dieses Plus an Führungsqualität. Wir bündeln darin unser theoretisches und praktisches Wissen und Können aus einer über 30-jährigen interdisziplinären Führungs(beratungs-)kompetenz. Wir sind vielleicht nicht einzigartig, aber bestimmt besonders. Deshalb haben wir unser Konzept schützen lassen: Seit Beginn diesen Jahres ist unser Learning Leadership-Modell durch das Europäische Patentamt als Marke registriert und wird, basierend auf unserem Mission-Statement „Ungedachtes denkbar machen“ immer weiter entwickelt.

Was bedeutet Führung?

Führung heißt: weiter lernen, – wir zeigen Ihnen, wie. Näheres dazu immer mal wieder auf diesem Blog, auf unserer Homepage und sehr gerne bei unseren Veranstaltungen oder im persönlichen Gespräch. Wir freuen uns auf Sie!