Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, wann und wie Ihnen Lernen richtig Spaß macht – und gerade deshalb am erfolgreichsten gelingt? Tatsächlich ist der Spaß an der Sache (oder besser ausgedrückt: die positive Motivation) bereits die halbe Miete: In unsere komplexen kognitiven Netzwerke, die für das Behalten, Erinnern und Wieder-Abrufen von Wissen und Erfahrungen zuständig sind, gelangen nur die Informationen und Zusammenhänge, die für uns positiv konnotiert sind, eine wichtige Bedeutsamkeit haben, i.e. irgendwie be-merkenswert erscheinen. Das geht sogar soweit, dass man über die Situation, in der eine neue Erfahrung realisiert wird, wie z.B. ein besonders angenehmes Gespräch oder auch die sonnige Bank im Park etc., kognitive und emotionale Assoziationen immer wieder neu auszulösen vermag und damit „bleibende“ Eindrücke generiert.
Die Lernpsychologie differenziert verschiedene Arten des Lernens, die sich in der Theoriegeschichte zeitlich nacheinander entwickelt haben und in ihrer Komplexität zunehmen: Nach den behavioristischen (Lernen durch Verstärkung versus Bestrafung) und kognitivistischen (Lernen als Leistung des Gehirns) Ansätzen geht man heute – zeitgemäß – von einem sehr stark individualisierten konstruktivistischen (Lernen als aktiver, interessensgesteuerter Prozess) Lernvorgang aus. Quasi überlagert werden die drei theoretischen Varianten von den sozialpsychologischen und -soziologischen Modellen, die auf die Bedeutung der Umgebung und anderer Menschen (als Vorbilder oder abschreckende Beispiele) verweisen. Deren wichtigster Vertreter Albert Bandura sieht die Existenz des „animal sociale“ kognitiv in unserem Mit-Empfinden und Mit-Denken gespiegelt. Nicht nur erwerben wir in der Beobachtung unserer Umgebung und der für uns als positiv oder negativ, fokussiert oder beiläufig betrachteten Anderen neue Erfahrungen und Erkenntnisse (quasi im Passivmodus) automatisch mit. Sondern wir lernen zugleich auf der Metaebene etwas über uns selbst, in dem wir diese sekundären Learnings für uns bewerten, verfügbar machen und uns dazu positionieren (wenn wir dies auch wollen).
Ganz gleich von welchem Standpunkt aus wir es betrachten: Lernen als sozial reflektierter Prozess ist immer wirkmächtiger als die einsame Rezeption von Wissen. Das bedeutet nicht, dass die Lektüre online oder offline verfügbarer Inhalte gar keinen (Lern-)Effekt ergibt, stets aber einer Ergänzung, Spiegelung und Überprüfung (und sei es im Selbstgespräch unter der Dusche) in der weiteren Kommunikation bedarf, um längerfristig be-halten zu werden. In der Personalentwicklung wurde dies vor etwa 40 Jahren in der sogenannten „70-20-10-Formel“ (McCall, Eichinger, Lombardo) zusammengefasst:
„70-20-10-Regel“
Selbst wenn die „Faustregel“ nur einen Anhaltspunkt über die Dimensionen der Wirksamkeit darstellt, sind darin die dramatischen Implikationen für klassische „Weiter-“ oder „Fort-Bildungsmaßnahmen“, ganz gleich, ob diese online oder offline vermittelt werden, offenbar: Die Trennung von Wissensvermittlung (als Workshop-, Trainings-, Vorlesungs- oder Seminarformat) und Praxis erscheint am wenigsten erfolgversprechend, bildet aber realiter die Mehrzahl der Angebote ab. Die Umkehrung eines nicht nur auf Transfer, sondern vielmehr auch auf Exploration hin ausgerichteten Lernens (das wiederum einer wie auch immer gearteten formalisierten Reflexion und Kommunikation bedarf, um wirksam und vor allem auch geteilt zu werden), ist demgegenüber ein in der Unternehmens- und Bildungspraxis noch kaum verbreiteter Weg. Das im US-sprachigen Raum populäre Konzept des „Learning Workspace“ (Hart) zeigt, wie es besser gehen kann und wohin wir beispielsweise durch neue Ansätze eines Corporate Learnings, das die Personal- und Organisationsentwicklung strategisch dimensioniert, integriert und damit Lernen am und für den Arbeitsplatz neu zu beschreiben versucht. Noch gibt es einige Hürden zu überwinden, z.B. formale Fragen der Zertifizierung und des Wissenstransfers. Vor allem aber bedarf es eines neuen Mindsets in Führung und Organisation, damit es nicht künftig heißt. Arbeitet der Mitarbeiter xy gerade – oder lernt er nur?
Am ehesten verbreitet, zumal sich hierfür eine Vielzahl sehr unterschiedlicher und effektiver Formate wie Coachings, Mentorings, Labs, Wissenszirkel etc. anbieten, ist das Lernen in bzw. aus sozialer Interaktion. In modernen Unternehmen wird dieser Austausch, insbesondere auch zwischen unterschiedlichen Bereichen, Ebenen und Regionen zunehmend institutionalisiert. WOL-Zirkel sind ein wunderbares Beispiel dafür.
Lernen in und für die Organisation erbringt im Idealfall ein Mehr an Kompetenz und Profitabilität. In der aktuellen Veränderungsintensität wirkt diese neue, weniger strukturierte, individualisierte und weitgehend selbstorganisierte Variante unterstützend – nicht nur im Sinne eines Wissenszuwachses, sondern vor allem in einer geringeren Angst vor dem Neuen und dem möglichen Versagen qua Qualifikation und Motivation.