Ein exklusiver Digitaldienst(leister) für die Politik, ein Lab voller Digital Natives im hippen Berlin, Innovation mit „Hinz und Kunz“ oder doch lieber konzentriert im „Corporate“ des eigenen Forschungs- und Entwicklungslabors…? Die Antworten und Ideen auf die Frage, wie erfolgreiche Entwicklung im digitalen Zeitalter gelingt, sind vor allem eines: höchst divers. Über die Notwendigkeit einer „neuen Innovations- und Wagniskultur“ herrscht zwar, so auch auf dem mit diesem Titel überschriebenen diesjährigen nationalen Forschungsgipfel, weitgehend Einigkeit. Auch nach einer intensiven Diskussion bleibt jedoch offen, worin denn nun eigentlich Ziel bzw. Weg voneinander zu unterscheiden sind, um aus der erkannten Not und Debatte heraus eine wirklich strategische Agenda und konkrete Vorgehensmuster zu generieren.
Beiträge
Was befähigt uns, in extrem schwierigen Situationen einfache Lösungen zu finden? Wo reüssieren die Wege des Zufalls und misslingen die Fährten des Verstands? Wann ist intuitive Schnelligkeit gefordert, und wann die Muße und Anstrengung einer rationalen Reflexion?
Betriebssysteme der Change Manager
Ob und wie wir über diese beiden „Betriebssysteme“ unseres Denkens überhaupt frei verfügen und wie wir sie für unsere Zwecke besser nutzen können, beschreibt Daniel Kahnemann in seinem bereits 2011 erschienenen Buch. Seit ich dieses im vergangenen Jahr gelesen und meine Begeisterung extensiv (ich entschuldige mich hiermit bei all denjenigen, die es vielleicht sogar mehrfach betroffen hat!) an Freunde, Bekannte, Seminarteilnehmer, Beratungskunden, Coachees kommuniziert habe, stoße ich immer wieder auf unterschiedliche Variationen des darin beschriebenen Prinzips: Nicht die schnellere Gangart bei Veränderungen oder die langsamere Geschwindigkeit zur Erhaltung von Stabilität ermöglichen den Erfolg und das Lernen einer Person oder Organisation, sondern vielmehr unsere Fähigkeit, diese beiden schnellen und langsamen, rationalen und emotionalen „Betriebssysteme“ unseres Denkens je nach Situation im Sinne bewusster Perspektivwechsel nutzbar zu machen.
Herausforderungen des Change Management
Gleichzeitigkeit bedeutet allerdings eine Herausforderung: Zwar gilt durch den wissenschaftlichen Konstruktivismus und die ganz praktische Erfahrung der Medienrealität die Subjektivität allen Wirklichkeitsempfindens mittlerweile als gesetzt. Doch Verschiedenheit wird stets neben- oder nacheinander und höchst ungern miteinander oder gleichzeitig konzipiert, vor allem dann, wenn es um die soziale Logik des Verstehens, Entscheidens und Handelns geht. So passt es in der historischen Einordnung ganz gut, dass der weithin bekannte Begriff der „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“ des Philosophen Ernst Bloch auf die Besonderheit sozialer (Er-) Lebensformen in extremen politischen Zusammenhängen oder wirtschaftlichen Unsicherheits- und Umbruchsituationen zielt. Doch spiegelt der Begriff nicht gerade unsere aktuelle Zeitdiagnose einer enormen, sich selbst zu überholen scheinenden Veränderungsintensität? In der der Wandel selbst so gerne als „einzige Konstante“ beschrieben wird? Bei einer der menschlichen Natur doch innewohnenden Tendenz zur Stabilität, Sicherheit und sozialen Verankerung im Bekannten und Bestehenden? Manch einer wird jetzt erschöpft konstatieren, dass dem genau so ist, wir also dem omnipräsenten „Change“ in einer immer schneller sich drehenden globalisierten Lebenswelt nurmehr durch phasenweise Abstinenz und Auszeiten entfliehen können, die Gesamtdynamik damit jedoch nicht brechen oder verlangsamen können. Denn mit alleiniger Anpassung hätten wir nicht nur kräftemäßig schnell verspielt. Vor allem aber würden wir die Ressourcen nicht nutzen, die schon seit jeher in uns schlummern und wohl ein Stück weit überlebenssichernd für die gesamte Menschheit sind: Die traditionelle chinesische Logik benennt diese unsere Welt prägende Gleichzeitigkeit der Gegensätze als Yin und Yang. Entscheidend für ein gutes Leben ist dabei nicht das Gegeneinander, sondern vielmehr die wechselseitige Befruchtung und Ergänzung – in partnerschaftlicher und niemals feindlicher Manier.
Rationales und emotionales System
Zurück zu den beiden, langsamen und schnellen, rationalen und emotionalen Systemen unseres Denkens heißt dies: Wir sollten viel stärker die Unterschiede erkennen, um die Besonderheiten schließlich gleichermaßen effektiv zu nutzen. Der Vordenker eines populären Change Managements in Organisationen, John P. Kotter, hat seine strukturierte Abfolgelogik für erfolgreiche Veränderungsprozesse so revidiert und setzt dem linearen Stufenmodell ein vernetztes System gleichzeitig aktivierter und aktivierender Dynamikfaktoren entgegen. Damit nutzt er – neben dem Dualismus –ein weiteres traditionelles, wenn auch nicht ganz so altes Denkprinzip, d.h. einer schwer zu begreifenden und zu gestaltenden Komplexität durch dieselbe Komplexität zu begegnen.
Die „Auto Methaper“
In den meisten Autos neuerer Bauart kann man heute den Getriebemodus entsprechend des gewünschten Fahrstils oder der jeweiligen Erfordernisse von Wetter, Gelände und Verkehrssituation anpassen und damit die Dynamik des eigenen Bewegens moderieren. Auf dem Weg ins Büro heute habe ich diesen Steuerungsmechanismus ganz selbstverständlich genutzt, um am steilen Berg den Überholvorgang zu realisieren oder auf der Ebene im gedrosselten Tempo Benzin zu sparen. Vielleicht gelingt es – durch die Lektüre kluger Vordenker wie die hier genannten aber auch durch eine Reflektion dessen, was wir doch im Grunde bereits wissen – mit der unterschiedlichen Motivation und Dynamik, Abstraktheit und Konkretheit von Personen und Organisationen, Zeiten der Stabilität und des Wandels spielerischer und professioneller zugleich umzugehen. Anders als beim Auto ist beim Menschen – so beschrieben im oben zitierten Buch von Kahnemann- gerade das schnelle, unmittelbare, umgangssprachlich „aus dem Bauch heraus“ Denken die energieeffizientere Version mit häufig überraschenden Einsichten und gelungenen Konsequenzen. Erstaunlich nur, dass wir beim Autofahren so souverän mit den Gängen und Fahrstilen operieren – und uns in so vielen anderen Systemen unserer beruflichen und privaten Umwelt bis hin zum eigenen Gehirn so schwer damit tun.
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