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Im modernen Sprachgebrauch dürfen sie sich gerade über ein Upgrade freuen: Beschrieben „Skills“, i.e. erworbene „Fähigkeiten“ und erlernte „Fertigkeiten“ ursprünglich die Summe der formalen und informellen „Qualifikation“ einer Person, erscheinen sie im neueren Management-Sprech plötzlich als soziale, fachliche und methodische „Kompetenz“. Die persönliche Motivation und Fähigkeit also, das neue Wissen und Können nicht nur zu behalten, sondern auch gezielt, reflektiert und passgenau anzuwenden, folgt damit als Lieferung frei Haus.

Bildung braucht mehr als Wissen. Kompetenz braucht mehr als Können. Reflexion und Entwicklung brauchen mehr immer mehr Skills

Hinter der vermeintlichen Wortklauberei liegt ein ernsthaftes Problem: Natürlich ist es wichtig und richtig, dass wir als Einzelne und als Gesellschaft immer mehr und immer weiter lernen. Dass wir dies in und für eine digitale Arbeitswelt auch in entsprechenden Formaten konsumieren und präsentieren, und dieser Trend zu „Learning-Nuggets“ mit „Micro-Zertifikaten“ mittlerweile auch die akademische Bildungslandschaft weiter differenziert, nur ein folgerichtiger Schritt.

Erfolgskritisch aber ist die Frage nach dem Kontext und dem persönlichen und fachlichen Gehalt

Lernen steht immer in einem persönlichen und sozialen Bezug: Auf Vorrat zu lernen, funktioniert in der Regel nicht. Wissen und Zertifikate im Sinne von Skills schlicht anzuhäufen, erweitert gleichermaßen nicht die Kompetenz, die sich immer erst in der persönlichen Reflexion und der situativen Anwendung erschließt. Ein immer mehr an Skills ist daher nur die halbe – und manchmal leider auch die falsche – Miete für ein mehr an Erfolg in der gegenwärtigen oder zukünftigen Position.

Die organisationale Lern- und Veränderungsbereitschaft wirkt als Bremse oder Motor der Transformation

Die Bewältigung der internen und externen Veränderungsprozesse ist für große wie kleine Unternehmen ein Mammutprojekt und zentrale Zukunftsaufgabe zugleich.  Schlüssel dazu ist ein transparentes und funktionierendes Skill-Management, das nicht nur die Frage beantwortet, wer in welchem Zeitraum welches Wissen neu oder anders erlernen muss, sondern auch wie dieses aufgrund der individuellen und organisationalen Veränderungstoleranz jeweils zu dosieren ist.

Personal- und Organisationsentwicklung gehen – mehr denn je – Hand in Hand

Einerseits gilt also weiterhin, die individuelle und übergreifende Offenheit für ein Re- und Upskilling als Kulturmerkmal zu entwickeln. Andererseits bedarf es einer klugen Moderation und Dosierung der Prozesse, um weder Übereifer noch Überdruss zu produzieren, wenn beispielsweise die persönliche Lerngeschwindigkeit überschätzt oder umgekehrt die organisationale Agilität mehr Wunsch als Wirklichkeit bedeutet. Auch ein Zuviel an Selbstorganisation kann dabei zerstörerisch sein, wenn nämlich ein permanenter Veränderungsdruck Ängste und Unsicherheit gerade bei sehr erfahrenen Mitarbeiter:innen kreiert.

Skills plus Leadership als Rahmen für die Transformation

So schön und spannend die neue Welt eines permanenten, selbständigen und informellen Lernens scheint, so wichtig ist es, eine neue Form der Anerkennung, Bewertung und Verbindlichkeit dafür zu entwickeln. Dazu aufgerufen ist über die HR-Bereiche hinaus die gesamte Führungsmannschaft einer Organisation, die das neue Lernen als strategischen Auftrag versteht, den es nicht nur strukturell, sondern vor allem auch kulturell zu meistern gilt.

Führung – oder besser: Leadership – ist, soviel ist sicher in modernen Organisationsformaten und gesellschaftlichen Veränderungskontexten, nicht einfacher, sondern deutlich anspruchsvoller geworden als vielleicht jemals zuvor. Also, und das scheint die logische Schlussfolgerung, müssen Führungskräfte – und solche, die es werden wollen – heute mehr Kompetenzen mitbringen und mehr Neues lernen als bisher. Diese Gleichung geht aber nur teilweise auf: In der eigenen Lernbereitschaft und -fähigkeit, verbunden mit der Akzeptanz, dabei auch Rückschritte oder Umwege gehen zu müssen, i.e. schlicht auch mal Fehler zu machen, Unsicherheit und Ungewissheit zu ertragen, sollte ein verantwortungsbewusstes Leadership nicht nur transparent, sondern vor allem selbst vorbildhaft sein. Moderne Führungskräfte sind in dem Maße erfolgreiche Learning Leaders, indem Sie sich an die Spitze der Change-Prozesse stellen, die ihre Organisationen vielleicht noch gar nicht in den Blick genommen haben und womöglich auch nicht eingehen wollen oder sollen. Denn nicht nur der Wandel ist legitim, sondern auch das Erhalten des Bestehenden – solange beidem nicht Ignoranz der Außenwelt, sondern eine bewusste (Führungs-)Entscheidung vorausgegangen ist.

Punktsieg für die Führung: geteilte Kompetenz

Mehr Kompetenz, das steht auf der anderen Seite, ist vermutlich immer gut. Die Frage aber ist, ob dieses quantitativ oder qualitativ noch näher zu spezifizierende Mehr in einzelnen Personen repräsentiert oder im gesamten Handeln eines – sozialen, politischen, wirtschaftlichen oder betrieblichen – Systems. Der Ruf nach starken Helden (noch immer sind deren weibliche Pendants stark in der Unterzahl) wird wieder laut, die gleichzeitig als Unterstützer und Entscheider, als Innovatoren und Integratoren Autorität über Menschen und Situationen beanspruchen. Diese geballte Kompetenz ist sicherlich vonnöten, um auf Dauer erfolgreich zu sein. Zu entwickeln ist sie allerdings – und das unterscheidet die logische Herangehensweise komplett von der historischen Eigenschaftstheorie (weg von einem „wie bin ich?“ bzw. „wer ist es?“) – im Team und in einem dynamischen Prozess. Die „neue“ Führungskompetenz ergibt sich als Antwort auf die Fragen nach dem „wozu ?“ und „wodurch“, wobei die letztgenannten Ressourcen viele Mütter und Väter (spezifiziert in kompetenzorientierten Rollen) haben dürfen und situativ einsetz- und verhandelbar sind.

Zukunftskompetenzen gehen alle an

Die Forderung nach einer anderen Führungskompetenz wird fälschlicherweise oft in einen Topf geworfen mit den – gesamtgesellschaftlich – so dringend benötigten Future Skills: Ja, wir benötigen, um mit der Vielzahl, Vielschichtigkeit und Vernetztheit unserer Zukunft irgendwie klarzukommen, vor allem aber aufgrund der den Einzelnen weitgehend noch diffusen und unbekannten Themenstellungen der digitalen Transformation, eine entsprechende fundierte und zugleich breite technologische Qualifikation. Der Umgang mit komplexen Spezialthemen wie künstlicher Intelligenz oder dem Management scheinbar unendlicher Datenmengen ist kein Auftrag für Eliten, sondern eine Expertise, die im operativen Alltag der Unternehmen ihren ganz natürlichen Platz einnehmen muss und zusehends weiter sich verorten wird. Ergänzend bedarf es einer mentalen Fähigkeit und vielzähliger Übersetzungs-, Vermittlungs- und Integrationshilfen des Neuen, bislang Unbekannten in die bestehenden Prozesse und Strukturen sowie die Köpfe aller darin irgendwie Beteiligten hinein.

Dreh- und Angelpunkt: Changeability

Wenn dieser gesamtgesellschaftliche Prozess gut gelingt, erhöht sich nicht nur die Komplexität unseres Wissens, sondern vor allem die soziale und ökonomische Chance, gut für immer wieder neue Krisen und Veränderungen aufgestellt zu sein. Übersetzt für die einzelne Organisation gilt dasselbe, i.e. die Changeability zu erhöhen, aufgeschlüsselt als die Fähigkeit und Bereitschaft des Systems, die wahrgenommene Wichtigkeit und Dringlichkeit des Wandels passend zu beantworten.

Menschen zusammenbringen

Wonach also suchen wir auf dem Weg nach einer besseren, zukunftsfähigen (Führungs-)Kompetenz? Tatsächlich auch und zuallererst nach den Menschen, deren wichtigste persönliche Eigenschaft schlicht die Lust auf Führung und Gestaltung ist und die sich selbst immer wieder neu reflektieren, um dieser Motivation auch dauerhaft treu zu bleiben. Dazu benötigen wir auch weiterhin Eigenschafts- und Kompetenzmodelle in der Organisation, die sicherlich valide und reliabel sein müssen, vor allem aber eine hohe Verständlichkeit und Akzeptanz benötigen, um wirksam zu sein. Die „ideale“ Führungskraft wird dabei – ebenso wie die „ideale“ Kompetenz – nicht in personam zu identifizieren sein, wohl aber der Anspruch, sich der unterschiedlichen Kompetenzen im System auch jenseits der Führungspositionen stärker bewusst zu machen, ihr Zusammenspiel zu aktivieren und neue Entwicklungshorizonte für ihre Entfaltung zu eröffnen.

Führung (neu) lernen, (ver-)teilen – und populärer machen

So herausfordernd sie auch sind, werden für die neuen agilen, adaptiven, komplexen Ansätze für ein modernes Leadership keine Supermänner und -frauen gesucht. Dass Führung auch in Teilzeit, temporär und in verteilten Rollen erfolgreich gelingen kann und muss, bedeutet eine enorme Chance, das Thema zur Besetzung ganz neuer und vielleicht ein wenig anderer, diverser Führungsmann(!)schaften zu bewerben. Dies bedarf jedoch der kulturellen Akzeptanz (und personalpolitischen Machbarkeit), zur Prognose zukünftiger Erfolge bisherige Erfahrungen und erzielte Ergebnisse gegenüber neuen Ideen, vor allem aber dem Mut, eine andere Führung und Organisation zu entwickeln und einzufordern, hintanzustellen. Nicht Heldentum, sondern Unerschrockenheit, nicht Perfektion, sondern Tatkraft, nicht Performance, sondern Klugheit sind dabei gesucht. Haben wir das in unseren Auswahl- und Entwicklungsprozessen auch wirklich bedacht?

 

Foto: hello I´m Nik on unsplash

Alle sprechen vom New Learning (wir auch :-)) – aber was heißt das eigentlich? Was ist wirklich „neu“ daran, was besser, anders, innovativer, transformativ? New Learning ist eine Antwort auf die extremen Umwälzungen der Wirtschaft und Gesellschaft im Zuge der digitalen Transformation. Gleichzeitig, und genau darin liegt die wohl noch größere Chance des Begriffs, ist das New Learning immer ergebnisoffen konzipiert, in der Frage nämlich, wie im jeweiligen Heute ein Lernen von der sich gerade abzeichnenden Zukunft sowie ein Lernen für diese Zukunft organisiert (und erlernt) werden kann, die sich durch eine unvorstellbare Unsicherheit, Mehrdeutigkeit und Komplexität auszeichnen wird.

Das Lernen neu denken, erfahren und gestalten

New Learning heißt – so formuliert es das Hagener Manifestdas Lernen komplett neu zu denken, i.e. alle Inhalte, Formate und Techniken, zugleich aber auch die Wirkungen, Akteure und ihre Rollen grundsätzlich zu reflektieren und (im Sinne eines deutero-learnings) auf den Prüfstand zu stellen. Nicht nur was oder wie, sondern auch wozu wir überhaupt lernen, welche Bedeutung also das Lernen in welchen persönlichen, wirtschaftlichen Lagen jeweils hat, gerät damit (neu) in den Fokus der Diskussion. New Learning zielt auf eine neue Erfahrung des Lernens aller Beteiligten in jedem Bildungskontext – und dies ein Leben lang.

New Learning heißt, die Inhalte, Formate und Techniken des Lernens neu zu entwickeln. Digitale Schlüsselkompetenzen und Future Skills stehen schon jetzt auf einer erweiterten Lern-Agenda der institutionellen und privaten Bildungsakteure und -manager. Digitale oder hybride Lernsettings und -formate bieten die Möglichkeiten, dabei nicht nur zeit- und raumunabhängig didaktisch „versorgt“ zu werden, sondern vor allem auch selbstbestimmt den individuellen Lernbedarfen Rechnung zu tragen. Dass dabei nicht nur auf eine schier unendliche Fülle an Wissensbeständen zugegriffen werden kann (sofern die persönliche Orientierungs-, Strukturierungs- und allgemeine Medienkompetenz dies erlaubt), sondern auch auf die Chance, sich mit Expert*innen und Lernenden im sozialen Netzwerk der ganzen Welt auszutauschen, macht den besonderen Charme des digitalen Lernens aus.

Eine neue Kultur des Lernens entwickeln

New Learning heißt nicht nur mehr zu lernen, sondern besser. Es heißt nicht nur permanent zu lernen, sondern anders. Das setzt eine neue Kultur des Lernens voraus, die nicht nur irgendeine Innovation bedeutet, sondern unsere Fähigkeit und Bereitschaft zum Umgang mit Veränderungen (bzw. Krisen im Besonderen) begründet, trägt und nährt. New Learning ist weniger ein didaktisches, denn ein soziales Projekt, das auf den Schultern der privaten und öffentlichen Akteure in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen zu schultern ist. Das Schlagwort vom Lebenslangen Lernen weist uns dazu seit über 50 Jahren den bildungs- und gesellschaftspolitischen Weg: Als Chance für ein besseres Leben, für soziale Teilhabe, für wirtschaftlichen Aufstieg ist das „Lifelong Learning to Become“ – so formuliert dies die UNESCO-Initiative Futures of Education – nicht nur für das Glück des Einzelnen, sondern für ein nachhaltiges Zusammenleben aller und das Überleben unseres gemeinsamen Planeten maßgeblich relevant.

Neue Lernorte: immer und überall

New Learning setzt nicht nur neue Lernformate, sondern eine Reorganisation der Lernorte – in den Schulen, Ausbildungsstätten und am Arbeitsplatz – voraus. Ob nun das New Learning eine Folge der New Work-Debatte ist oder umgekehrt, scheint dabei nachrangig. Jenseits der Buzzwords geht es um die Frage, wie auf der einen Seite die Transformation unserer Arbeitswelt mit einer flexiblen, individuellen und kooperativen Produktion von Wissen, Produkten und Leistungen mittels neuer, übergreifender ebenso wie hoch spezialisierter Kompetenzen, Rollen und Prozesse gelingt, und wie dieser Change schlicht ausgehalten, befeuert und bestmöglich gestaltet werden kann.

New Learning findet – und das ist die gute Nachricht – unter ganz unterschiedlichen Bezeichnungen und in ganz unterschiedlichen Formaten längst statt. Ob dies durch neue, offenere und vor allem selbst bestimmte und organisierte Formate des Corporate Learnings passiert, durch neue Rollen zur Lernbegleitung und -unterstützung an Schulen und Hochschulen, in einer zunehmenden Durchlässigkeit und Entformalisierung der Bildungsabschlüsse, -ebenen und -institutionen oder mittels einer programmatischen öffentlichen Förderung übergreifender Netzwerke und Kooperationen im Bildungs- und Arbeitskontext – sind wir bereits alle, wenn auch in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und vermutlich auch Motivationen längst nicht am Ziel, doch schon auf dem Weg.

Wenn die Zeit auch drängt – nehmen sollten wir sie uns trotzdem: für einen breiteren Diskurs über das Lernen – mit welcher Vorsilbe auch immer – und genügend Raum für Experimente und Erfahrungsaustausch dazu. Dazu aufgefordert sind wir im Übrigen alle. Denn egal, ob wir es gerade auf der Agenda haben oder nicht, ob wir als Professionals im Bildungskontext agieren, als Personalverantwortliche in der Organisation oder nicht: ohne ein aktives Miteinander im Weiterlernen geht es ganz sicher nicht.

Lernen, um (besser) zu leben

Am besten wohl verstehen wir New Learning als Frage: Was, wie und wozu können, wollen, müssen und sollen wir heute für eine bessere Zukunft von morgen lernen? Lernen ist, von seinem neuro(psycho)logischen Prozess her definiert, ein Phänomen des Sammelns, Einordnens, Assoziierens – so lange, bis sich eine gewisse Zufriedenheit in unserem Verständnis einstellt und solange, wie uns dieser Prozess selbst eine Art von Gratifikation verschafft. Diese Logik des Lernens ändert sich nicht. Auch wenn das Neue am Lernen einmal verblasst, müssen wir daher alles tun, um Normalität (auch kein so schön formuliertes „New Normal“) zu etablieren. Denn eines ist sicher: wenn es ohne Lernen nicht funktioniert, dann ohne die Lust auf Lernen schon zweimal nicht!

 

Bildquelle: unsplash/Markus Spiske

Die Suche nach der passenden Rolle für das Controlling in der Organisation dauert im Grunde schon so lange, wie es das Controlling als formale Position und Funktion in den Unternehmen überhaupt gibt. Vom „Hofnarren“ zum „ökonomischen Gewissen“ über den „internen Berater“ bis zum „Change Agent“ ist es bis heute nicht gelungen, den besonderen Anspruch des Controllings auf einen Begriff zu bringen. Mit der Einführung strategischer Instrumente und IT-gestützter Systeme ab den 1990er Jahren wurde zwar so etwas wie ein gemeinsamer Nenner der Aufgabenvielfalt in der Bereitstellung steuerungsrelevanter Informationen und Prozesse formuliert. Auf diesem wackeligen Podest versucht das betriebliche Controlling bis heute seine Wirkungsmacht zu etablieren und zu erhalten. 

Mitten im Spiel  aber noch nicht auf der richtigen Position 

Um kein Missverständnis zu evozieren: Natürlich kennen (und begleiten) wir viele große und kleinere Unternehmen oder öffentliche Verwaltungen mit einer effektiven, aktiv unterstützenden und das organisationale Lernen insgesamt befeuernden Controlling-Funktion. Diese kann durch eine komplette Abteilung ebenso wirkungsvoll realisiert werden wie durch eine kompetente Führungsperson, als strategische Stabsfunktion oder über eine starke finanz- und rechnungswesenorientierte Position. Was diese Organisationen anderen jedoch voraushaben, ist eine Controlling-Idee, die über die fachliche Zuordnung hinaus auch einen übergreifenden Einfluss und Führungsanspruch der Informationsspezialisten anerkennt.  Dieser Rollenwechsel – quasi von der Hinter- auf die Vorderbühne – steht bis heute den meisten Controllingpersonen und –positionen noch bevor. 

Neue Chancen am Spielfeldrand – und darüber hinaus 

 Die digitale Transformation zwingt nicht nur tradierte Geschäftsmodelle in die Knie, sondern bietet vor allem denjenigen Unternehmen neue Chancen, die sich die Logiken einer zeit- und raumüberschreitenden Kommunikation und Kollaboration zu eigen machen, um ein für sich selbst passendes Modell der internen und externen Zusammenarbeit zu formieren. Welche Stärken ein wirkungsvolles, entscheidungsunterstützendes und verhaltensorientiertes Controlling jetzt ausspielen kann – und muss – deckt sich mit den „Future Skills“, die über alle Branchen und Unternehmensgrößen hinweg als eine Erweiterung der Fachqualifikationen gefordert sind: 

  • Technologische Top-Skills: wie können Big Data, Robotics und Künstliche Intelligenz für bessere, d.h. flexiblere, individuellere und proaktive Planungs-, Kontroll- und Informationsprozesse genutzt und verständlich visualisiert und aufbereitet werden?  
  • Digitale Schlüsselqualifikationenwie gelingt die Nutzung der digitalen Systeme und Logiken in der gesamten Organisation? Agiles Arbeiten, Kollaboration und Networking sind nicht nur für das Controlling bislang eine terra incognita, die durch neue Formen bereichs-, funktions- und unternehmensübergreifender Zusammenarbeit erschlossen werden muss.  
  • Nicht-digitale Schlüsselqualifikationen: Kommunikation, Kreativität, Eigeninitiative zeichnen das klassische Controlling bisher nicht am stärksten aus. Je komplexer und ambivalenter die zu interpretierende Datenwelt jedoch erscheint, desto stärker muss der Weg zum verfügbaren Wissen jedoch begleitet und unterstützt werden.   

Die neuen Aufgabenbereiche im digitalen Daten-, Prozess- und Kommunikationsmanagement teilt sich das Controlling bereits mit den Experten aus IT und Organisation. Um sich nicht wieder – wie vor etwa 30 Jahren als (Informations-)Lieferant – mit der Nebenrolle zu begnügen, muss heute davor gewarnt werden, dass sich das Controlling an bzw. in der IT schlicht verliert. Die Chance liegt vielmehr darin, nicht die stärkste technologische Expertise als „Data“ oder „Decision Scientist“ zu entwickeln, sondern vielmehr vom Spielfeldrand aus diese Positionen besser zu navigieren, aufeinander zu orientieren und erfolgreich zurück ins Spiel zu bringen 

Business Partnering reloaded 

Wie aber können die (alten und) neuen Herausforderungen im Unternehmensalltag organisatorisch, fachlich und persönlich gut bewältigt werden? Dabei hilft tatsächlich der Blick auf ein schon länger eingeführtes Modell, allerdings in einer ganz simpel aktualisierten Version: Nicht die Person des/der Controller/in agiert dabei als One-Man- (oder seltener One-Woman-) Show, sondern das Controlling als Unternehmensfunktion positioniert sich als Sparringspartner für eine intelligente Unternehmenssteuerung nicht (nur) für das Management immer wieder neu. 

Die Idee des Business Partnerings (von Dave Ulrich 1997 für den HR-Bereich entwickelt) trägt gerade dann zu einer ganzheitlichen Weiterentwicklung von Unternehmensfunktionen bei, wenn sie die Effekte einer strategischen Beratung zwar evoziert, sich zugleich aber nicht darauf reduzieren lässt: Das Ziel ist eine dynamische, dem jeweilige Kontext entsprechende Fokussierung und Integration der fachlichen, methodischen und kommunikativen Aufgabenschwerpunkte in einem Bereich, um mal stärker thematische Impulse für eine Öffnung und Veränderung zu setzen, mal eher unterstützend im Hintergrund zu wirken. Damit das Controlling also in Zukunft nicht nur die Organisation, sondern vor allem sich selbst zu steuern in der Lage ist, um mal progressiver und lauter, mal balancierender und leiser den internen und externen Change zu begleiten, muss es die Rolle des Business Partnerings als Teamsport – mit Spieler aus dem eigenen Lager und darüber hinaus – begreifen: 

Business Partnering im Controlling

Entlang der Navigationslinien Zukunft-Gegenwart, Person-Organisation kann jedes betriebliche Führungs- und Entscheidungsthema in seiner Dringlichkeit (zeitkritisch oder nicht) und Wichtigkeit (strategische oder operative, individuelle oder allgemeine Relevanz) eingeordnet und bewertet werden. Das gilt auch und insbesondere für die Controlling-Funktion, die in Zeiten einer extremen Veränderungsintensität die Agenda der Themen, die es aus der Datenflut zu generieren gilt, mit beeinflussen und vor allem für den Alltag und die jeweilige Informationskapazität der Bereiche zu übersetze hilft. Noch einmal: Nicht die Zahl der Mitarbeitenden im Controlling muss damit zwingend zu multiplizieren sein, wohl aber die Zahl derer, die sich mit Fragen der Steuerungs- und Entscheidungsrelevanz – am eigenen Arbeitsplatz beginnend und darüber hinaus – auseinandersetzen.