Bildung macht unglücklich!?

Bildung

Kritik hat immer Konjunktur: Ganz gleich, ob wir uns mit dem Funktionieren öffentlicher Transport- oder Bildungssysteme auseinandersetzen oder die Institutionen in Finanz-, Wirtschafts- und Politiksektor anprangern, wir finden dabei immer Zustimmung und zumeist auch Beifall für unser Haltung oder Engagement. Kritik alleine funktioniert jedoch nicht. Nur die Negativa zu benennen, ermöglicht noch kein besseres Handeln; pauschale Urteile verweisen auf keinen richtigeren Weg. Aktuell steht – wieder einmal, oder noch immer? – unser öffentliches und privates Bildungssystem auf dem Programm, das seit der sukzessiven Einführung der Schul- oder Bildungspflicht ein wahres Feuerwerk an Reformen überstand. Und heute? Sind wir immer noch nicht zufrieden mit unserem System, ganz im Gegenteil. Denn in der der modernen Wissensgesellschaft mit ihren nach Erwerbs- und Wettbewerbsprinzip der Wirtschaft ausgerichteten Lehr- und Lernsystemen, mit ihrer nahezu unbegrenzten und unerschöpflichen Bevorratung an Daten und Information findet Bildung – zumindest im ursprünglichen Wortsinne – nicht mehr statt.

Tradition der Bildungskritik

Bildungskritik hat eine lange Tradition: Von Aristoteles über Kant und Nietzsche, von Picht bis zu Adorno wird eine Halb-, Nicht- oder Unbildung diagnostiziert, werden der Notstand oder die Katastrophe und ein in jedem Fall massiver Bedarf an Reformen deklariert. Bildung macht auch heute – zumindest – nicht glücklich, argumentiert der Wiener Philosoph Konrad Liessmann in seinem aktuellen Buch. Rein quantitativ erscheinen die Leistungen und der Output des Systems Bildung in unserer Gesellschaft auf einem Höhepunkt, Tendenz weiter steigend. Qualitativ betrachtet gewinnt das Thema jedoch vorwiegend Unschärfe zwischen Wissen und Kompetenz, zwischen Google und Lektüre, zwischen der als Output mess- und definierbaren Ware Bildung und ihrem womöglich wahren Wert einer besseren Orientierung und Menschwerdung in der Welt.

Neue Möglichkeiten der Bildung

Wir leben im Wunderland des Wissens und der Information. Big Data und die digitalen Medien machen es möglich, für nahezu jeden an nahezu jedem Ort der Welt und nahezu jeder Zeit Neues zu lernen, zu lehren und miteinander auszutauschen – auf Knopfdruck und ein Leben lang. Gleichzeitig erfahren wir eine nie dagewesene Enttraditionalisierung, Entwurzelung und Desorientierung, zumindest dort, wo die digitale die soziale und historische Welterfahrung zu ersetzen droht. Von der schulischen Aus- bis zur beruflichen und persönlichen Weiterbildung gilt es, die neuen Möglichkeiten, Wissen zu präsentieren, einzuüben und zu vermitteln neu in die Didaktiken des Lehrens und Lernens zu integrieren. Zugleich erhalten die Face-to-face-Formate damit ganz neue Chancen und Anforderungen, die genutzt und eingelöst werden müssen. Die Prozesse werden dynamischer, interaktiver, übergreifender und wesentlich individueller, sofern die Lehrenden, Dozenten und Trainer, aber auch die formalen Strukturen und Zugänge der Bildungssystem dazu in der Lage sind. Die Leitidee dieser neuen Bildung ist noch nicht formuliert. Sie muss in jedem Falle mehr sein als eine Neuversionierung à là Humboldt 2.0.. Vor allem aber muss es gelingen, dass das Nachdenken über Bildung wieder ein Thema wird, als Voraussetzung für eine offene Gesellschaft, die wir heute und in Zukunft dringend brauchen.

Neue Perspektiven und Handlungschancen

Am 26. Oktober wird das Thema „Bildung macht unglücklich!?“ im Rahmen des studium generale als „Blick über den Tellerrand“ an der HTW Konstanz (http://www.ifc-ebert.de/unternehmen/aktuelles/494-diese-wirtschaft-toetet) präsentiert und mit den Studierenden diskutiert. Kritik hilft -immer dann wenn aus der Provokation heraus Aufmerksamkeit entsteht, wenn ein differenziertes Nachhaken und Nachdenken neue Perspektiven und Handlungschancen offenbart. Gute Bildung sollte deshalb selbst immer selbst kritisch orientiert sein und zu Kritik einladen, – auch dies ein erster Schritt für ein besseres und zeitgemäßeres System!

Anja Ebert-Steinhübel
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